Die Multiple Sklerose ist eine komplexe Erkrankung mit vielen Erscheinungsbildern – und entsprechend individuell ist die Therapie. Sie setzt an verschiedenen Ebenen an. Die Säulen der MS-Therapie sind grundsätzlich:
- eine Schubtherapie mit medikamentöser Behandlung eines akuten Schubs
- eine Immuntherapie, die MS-Schübe mit Medikamenten verhindern kann
- nicht-medikamentöse Maßnahmen (Lebensstil und Ernährung)
- unterstützende symptomatische Therapien (Behandlung von Begleiterkrankungen und Symptomen)
Schubtherapie für die Akutbehandlung
Damit die Beschwerden bei einem Schub schneller abklingen, hilft zunächst Cortison als Infusion oder Tablette. Das Mittel hemmt die MS-typischen Entzündungen an der Schutz- und Isolierschicht der Nervenzellen-Verbindungen und damit ihre schrittweise Zerstörung.
Auch ist wichtig, wie gut Betroffene Cortison bei vorherigen Behandlungen vertragen haben und wie wirksam es war. Berücksichtigt werden zudem Begleiterkrankungen und ob es Gründe gibt, die im Einzelfall gegen den Einsatz von Cortison sprechen. Mögliche Nebenwirkungen des Medikaments sind Stimmungsschwankungen und Gewichtszunahme.
Seltener und unter bestimmten individuellen Voraussetzungen kann auch eine Blutwäsche zur Anwendung kommen. Dabei entfernt man jene körpereigenen Immunzellen, die die Entzündung verursachen. Das Verfahren kann bei anhaltenden neurologischen Ausfällen bereits vor einer erneuten Cortison-Therapie erwogen werden.
Mehr zur Schubtherapie findet sich in der Patientenleitlinie zu MS ab Seite 30.
Immuntherapie für die Vorbeugung
Einfluss auf den Langzeitverlauf der Multiplen Sklerose nimmt man mit einer sogenannten Immuntherapie. Hier hat es in den vergangenen zehn Jahren große Fortschritte bei der Entwicklung von Medikamenten gegeben. Die Immuntherapie beeinflusst bei MS das fehlgesteuerte Immunsystem, indem sie dieses verändert (immunmodulierend) oder dämpft (immunsuppressiv). Je nach Erkrankungsverlauf setzt man Medikamente mit unterschiedlicher hoher Wirksamkeit ein.
Am wirksamsten sind speziell entwickelte Antikörper. Sie verhindern das Eindringen von bestimmten Immunzellen ins Gehirn oder reduzieren ihre Konzentration im Blut. Dadurch können diese Zellen keine Entzündungen mehr auslösen. Die höhere Wirksamkeit kann jedoch mit größeren Risiken und Nebenwirkungen einhergehen.
Mittlerweile gibt es gut 20 Immuntherapie-Mittel (Stand: April 2023), einige davon auch für die sekundär oder primär progrediente MS. Das ermöglicht weitgehend individuell zugeschnittene Behandlungspläne. Ob man eine Immuntherapie beginnt und mit welchem Medikament, hängt an einer Vielzahl von Faktoren. Dabei geht es um Aspekte wie Krankheitsverlauf, Familienplanung oder das individuelle Risikoprofil. Gleiches gilt bei der Frage, ob man die Behandlung unterbricht, beendet oder das Mittel wechselt.
Grundsätzlich wird empfohlen, bei allen Menschen mit MS eine Immuntherapie zu beginnen. Zu der Frage, wann der beste Zeitpunkt dafür ist, gibt es unterschiedliche Meinungen. Mehr zu den verschiedenen Therapiestrategien findet sich auch in unserem Artikel Multiple Sklerose: Wirksame Medikamente richtig einsetzen.
Immuntherapien können die MS nicht heilen, aber ihren Verlauf stark verbessern. Manchmal werden daher auch die Begriffe „verlaufsmodifizierend“ oder „verlaufsverändernde“ Therapien verwendet. Die modernen Präparate kommen dem Hauptziel der Therapie, nämlich der Vermeidung jeglicher Krankheitsaktivität, sehr nahe und können die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern.
Mehr zu den Immuntherapien findet sich in der Patientenleitlinie zu MS ab Seite 36.
Gesunder Lebensstil
Im täglichen Leben gibt es einiges, dass die Multiple Sklerose günstig beeinflussen kann. Ein wesentliches Element ist regelmäßige körperliche Aktivität. Ein Spaziergang oder eine Wanderung, eine Fahrradtour oder ähnliche Aktivitäten im Freien haben außerdem gleich mehrere positive Effekte: Man bewegt sich und kann schon durch kurzen, aber regelmäßigen Aufenthalt in der Sonne etwas gegen einen Vitamin-D-Mangel tun. Muskelkraft, Koordination und Gleichgewicht verbessern sich, das Herz-Kreislaufsystem wird trainiert und Stoffwechsel und Immunsystem werden günstig beeinflusst.
Aber auch gezieltes Training ist wichtig. Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) bietet weitergehende Informationen zu MS und Sport sowie ein spezielles MS-Funktionstraining an. Mehr zum Thema Bewegung findet sich auch in unserem Artikel Sport verbessert Fatigue-Syndrom bei MS-Erkrankten.
Ein weiterer wichtiger Baustein, den jeder selbst in der Hand hat, ist die Umstellung auf eine gesunde Ernährung. Selbst zubereitete Mischkost mit viel Obst und Gemüse, Fisch und Vollkornprodukten, aber wenig Zucker und Salz, tierischen Fetten und Zusatzstoffen (wie in verarbeiteten Lebensmitteln) hat positive Effekte. Der Speiseplan sollte sich an einer mediterranen Ernährung orientieren.
Zudem sollten Menschen mit Multipler Sklerose nicht rauchen. Rauchen ist ein Risikofaktor und die Betroffenen sollten alles daran setzen, die Nikotinsucht zu überwinden. Wer es allein nicht schafft, findet Unterstützung: Viele Krankenkassen haben Angebote zur Raucherentwöhnung, z.B. „Nichtrauchertrainings“. Auch Nikotinkaugummis können einen Einstieg in den Ausstieg bieten.
Ein geringer Alkoholkonsum scheint über die bekannten gesundheitlichen Schädigungen hinaus kein MS-Risikofaktor zu sein.
Behandlung von Folgesymptomen
Eine MS einher kann eine Reihe von Folgesymptomen auslösen. Dazu gehören etwa Depression, Schmerzen, Spastik, Schwindel, Blasen-, Darm-, Sexualfunktionsstörungen oder auch Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit bis hin zu Sprachproblemen.
Viele Folgesymptome lassen sich medikamentös oder mit anderen Maßnahmen behandeln. Dazu gehören physiotherapeutische, logopädische und ergotherapeutische Therapien. Die Neurologie arbeitet auch eng mit anderen medizinischen Fachbereichen zusammen: bei Blasenfunktionsstörungen etwa mit der Urologie, bei Schmerzen mit der Schmerztherapie, bei Depression mit Psychotherapie.