10.02.2023

Antikörper gegen Multiple Sklerose

In Deutschland sind rund 250.000 Menschen an einer Multiplen Sklerose (MS) erkrankt. Sie ist heute sehr gut behandelbar – auch dank der sogenannten Antikörpertherapien.

Bei einer MS attackiert das eigene Immunsystem die Umhüllung der Nervenverbindungen in Gehirn und Rückenmark. Dabei spielen bestimmte Immunzellen, die Lymphozyten, eine wichtige Rolle. Sie bewirken eine Entzündung, die zur Zerstörung der Nervenhülle führt. Die Nervenzelle verliert so ihre Fähigkeit zur Kommunikation mit anderen Nervenzellen. Das kann unterschiedliche neurologische Symptome hervorrufen.

MS-Antikörper markieren B-Zellen

Ein wichtiger Ansatz für die Behandlung ist es, Entzündungsschübe zu verringern, indem die Aktivität bestimmter Immunzellen (B-Zellen) reduziert wird. Dazu werden in den letzten Jahren zunehmend Antikörper in der Behandlung der MS eingesetzt. Es gibt bisher vier verfügbare Antikörper.

Nervenverbindungen mit intakter (oben) und angegriffener Umhüllung (unten)

Ältere Antikörper Natalizumab und Alemtuzumab

Bereits 2006 wurde der Antikörper Natalizumab zugelassen. Er blockiert, dass Immunzellen in das Gehirn einwandern. Ohne Abwehrzellen findet keine Entzündungsreaktion im Gehirn statt. 2013 folgte Alemtuzumab. Dieser Antikörper bindet direkt an Abwehrzellen und reduziert so ihre Anzahl.

Neue Antikörper Ocrelizumab und Ofatumumab

Zuletzt wurden 2018 Ocrelizumab und 2021 Ofatumumab zugelassen. Beide Antikörper binden ebenfalls an die Oberfläche von Immunzellen. Die so markierten B-Zellen verschwinden aus dem Blut. So können sie nicht ins Hirn gelangen und keine Entzündungsvorgänge mehr im zentralen Nervensystem auslösen.

Als Spritze oder Infusion

Ofatumumab kann unter die Haut gespritzt werden. Die drei anderen Antikörper werden als Infusion gegeben und ihre Wirkung hält über mehrere Wochen bis Monate an. Dann muss eine erneute Gabe erfolgen.

MS-Antikörper sind wirksamer, aber riskanter

Die Antikörper wirken gezielter und oft stärker als bisherige MS-Medikamente. Das kann bei schweren Verlaufsformen oder in der frühzeitigen Behandlung nützlich sein. Da die Antikörper-Behandlung ein hochwirksamer Eingriff in das Immunsystem ist, kann sie auch Nebenwirkungen auslösen.

Seltene allergische Reaktionen und Infekte

Bei Antikörpern handelt es sich um körperfremde Eiweiße. Sie können daher eine allergische Reaktion verursachen. Das ist sehr selten und kann gut behandelt werden. Außerdem kann der Eingriff in das Immunsystem zu einer erhöhten Anfälligkeit für Infekte führen. In Studien waren davon etwa 6 Prozent der Untersuchten betroffen.

Seltener Antikörpermangel und Auslösung von Krebserkrankungen ungeklärt

Der Körper stellt zahlreiche eigene Antikörper zur Abwehr her. Diese werden unter anderem von den Abwehrzellen gebildet, die durch die MS-Antikörper-Behandlung von außen unterdrückt werden. So kann es selten zu einem Mangel an körpereigenen Antikörpern kommen.  Dadurch verringert sich die Abwehrkraft des Körpers und es kann zu wiederholten und schweren Infektionen kommen. Unklar ist bisher, ob die Behandlung mit Antikörpern auf lange Sicht zu mehr Krebserkrankungen führen kann.

Ältere Antikörper mit besonderen Nebenwirkungen

Alemtuzumab kann Autoimmunerkrankungen und schwere Leberentzündungen auslösen. Die Zulassung wurde daher eingeschränkt. Es darf mittlerweile nur noch in bestimmten Fällen verschrieben werden. Dies gilt, wenn es trotz Einnahme anderer MS-Medikamente einen hochaktiven Verlauf gibt oder bei fortschreitender schwerer schubförmiger MS.

Natalizumab kann in seltenen Fällen eine schwere Virusentzündung des Gehirns auslösen. Diese Nebenwirkungen sind schlecht behandelbar und können zum Tode führen. Daher wurde ein Konzept entwickelt, mit dem sich dieses Risiko für jeden Betroffenen einschätzen lässt. Dazu gehören vor allem engmaschige Kontrolluntersuchungen.

Wirksame Behandlung wichtig

Eine wirksame Behandlung von MS ist sehr oft möglich und wichtig. Denn die Krankheit kann sich mit vielfältigen und teils tiefgreifenden Symptomen bemerkbar machen. Die häufigsten sind zu Beginn der Erkrankung Gefühlsstörungen, Lähmungen und Sehstörungen, Gleichgewichtsstörungen und eine körperliche oder auch psychische Erschöpfbarkeit (Fatigue). Im weiteren Verlauf der Erkrankung können psychische Beschwerden wie eine Depression und auch Einschränkungen der Hirnleistung dazukommen.

Entzündungen und Narben an Nervenverbindungen

Hintergrund für die Symptome sind die Entzündungen, die bei der MS Nervenverbindungen im Gehirn und Rückenmark schädigen. Die kann man im MRT (Magnetresonanz-Tomogramm) als weiße Flecken im Gehirn oder im Rückenmark sehen. Wenn die Entzündung nicht behandelt wird, hinterlässt sie eine Narbe.

Über die Jahre treten immer wieder neue Entzündungsschübe im zentralen Nervensystem auf und führen zu immer neuen Narben. Jede Narbe stört die Hirnfunktionen ein kleines bisschen. Wenn zu viele Narben sich ansammeln oder eine Narbe an einer besonders ungünstigen Stelle auftritt, kommt es zu den beschriebenen Symptomen.

Hier finden Sie weitere Information zu Multipler Sklerose. Mehr Details zu den verschiedenen MS-Antikörpern finden sich ab S. 44 in einer speziellen MS-Behandlungsleitlinie für Betroffene.


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