Paraneoplastische Syndrome: Symptome, Ursachen, Behandlung

Auf einen Blick

Hier finden Sie das Wichtigste auf einen Blick. Ausführliche Informationen haben wir weiter unten zusammengestellt.

Häufigkeit – Die durch eine Krebserkrankung hervorgerufenen neurologischen Symptome können sämtliche Bereiche des Nervensystems betreffen, ihre Häufigkeit hängt von der Art des Tumors ab. Besonders häufig sind sie bei Krebsformen der Lunge, der Brust oder der Keimzellen zu finden.

Hauptsymptome Je nach Form des paraneoplastischen Syndroms kommt es zu Störungen von Gedächtnis, Wahrnehmung, psychiatrischen Auffälligkeiten, Wesensänderungen, epileptischen Anfällen, Koordination, Bewegungsstörungen oder Gangunsicherheit.

Diagnostik Bei Verdacht auf ein paraneoplastisches Syndrom muss nach bestimmten Antikörpern in Blut und Nervenwasser gesucht werden. Dazu zählen Antikörper gegen Hu, Yo, Ri, Ma2, CV2 oder Amphiphysin.

Behandlung Es kommen unterschiedlich stark wirksame Immuntherapien zum Einsatz, außerdem ist die schnellstmögliche Entfernung und Behandlung des Tumors entscheidend.

Wichtig zu beachten – Die frühe Erkennung und Behandlung sowie die Entfernung des Tumors sind die wichtigsten Faktoren für eine langfristig gute Prognose.

Die Beschwerden hängen von der Art des zugrunde liegenden paraneoplastischen Syndroms ab. Bei der limbischen Enzephalitis kommt es zu Störungen des Gedächtnisses, Konzentration und Wesensänderungen, häufig auch zu psychiatrischen Auffälligkeiten und epileptischen Anfällen. Bei der paraneoplastischen Kleinhirndegeneration stehen Ataxie, Gangstörungen und Veränderungen der Augenbeweglichkeit im Vordergrund. Bei der subakuten sensorischen Neuronopathie dominiert ein Ausfall des Lagesinns mit schwerer Beeinträchtigung von Gehfähigkeit und Motorik. Auch Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion sind gehäuft zu finden.

Ursächlich sind verschiedene Tumoren, vor allem Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, Lymphome oder Keimzelltumoren, produzieren Eiweiße, die normalerweise nur im Nervensystem vorkommen. Durch die normale Immunreaktion gegen Tumorgewebe kommt es zur Bildung von zytotoxischen Immunzellen sowie Autoantikörpern. Diese greifen nicht nur den Tumor an, sondern reagieren auch gegen das natürlich im Nervensystem vorkommende Eiweiß und können dadurch Nervenzellen zerstören. Je nach Ort der Schädigung im zentralen oder peripheren Nervensystem können die klinischen Beschwerden vielgestaltig sein.

Da die paraneoplastischen neurologischen Symptome auf dem Boden einer Krebserkrankung entstehen, gelten die dafür typischen Risikofaktoren. Dazu zählt vor allem Nikotinkonsum, nachrangig auch bestimmte Virusinfektionen. Gewichtsverlust oder Nachtschweiß können Warnzeichen sein.

Der überwiegende Teil des im Nervensystem entstandenen Schadens durch Untergang von Nervenzellen ist irreversibel, dadurch sind etliche Patienten auf Unterstützung wie einen Rollstuhl angewiesen. Da schnell lang anhaltende oder dauerhafte Schäden des Gehirns auftreten können, ist die frühe Erkennung so wichtig.

Beim kleinsten Hinweis auf ein paraneoplastisches neurologisches Syndrom sollte die Suche nach Antikörpern gegen Hu, Yo, Ri, Ma2, CV2, Amphiphysin und ggf. weitere erfolgen. Die Kombination aus Antikörpern und klinischen Beschwerden zeigt oft bereits den Tumor an. So ist die Kombination aus Yo-Antikörpern und einer Kleinhirndegeneration bei Frauen nahezu immer mit einem Ovarial-Karzinom vergesellschaftet, während bei Rauchern mit Hu-Antikörpern und einer limbischen Enzephalitis nahezu immer ein kleinzelliges Bronchialkarzinom vorliegen dürfte. Daraufhin ist oft eine gezieltere Tumordiagnostik möglich, die mittels Röntgen, Computertomographie, Mammographie, PET-CT oder Knochenmarkbiopsie erfolgt.

Am wichtigsten sind die frühe Erkennung des zugrunde liegenden Tumors und dessen komplette Entfernung. Oft reicht das aber für die neurologischen Beschwerden nicht aus, da sich ein immunologischer Angriff auf das Nervensystem verselbstständigen kann. Hier kommen dann Immunsuppressiva zum Einsatz, beispielsweise Cortison, therapeutische Apherese oder humane Immunglobuline. Entscheidend ist der frühe Beginn dieser Behandlung, da bereits irreversibel zerstörtes Nervengewebe nicht zurückgewonnen werden kann. Zusätzlich werden psychiatrische Symptome, Schlafstörungen oder epileptische Anfälle symptomatisch behandelt.

Entscheidend sind der frühe Beginn der Behandlung und die Tumorentfernung. Lässt sich dadurch der paraneoplastische Autoimmunprozess stoppen, besteht eine gute Prognose. Allerdings behalten nahezu alle Patienten unterschiedlich starke Beschwerden zurück, da oft schon in einem frühen Stadium der Erkrankung ein irreversibler Schaden im Nervensystem eingetreten ist. Bei limbischen Enzephalitiden stehen oft epileptische Anfälle und Gedächtnisstörungen im Vordergrund, bei einer Kleinhirndegeneration die Gangstörung mit Rollstuhlpflichtigkeit.

Die im Rahmen der Erkrankung auftretenden Wesensänderungen und Immobilität sind für Patienten und Angehörige oft sehr belastend. In jedem Fall muss alles versucht werden, die Immuntherapie früh zu beginnen. Wichtig sind psychosoziale Angebote, aber auch die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Rollstuhl oder Pflegebett.

Autor: Prof. Dr. med. Harald Prüß, Klinik für Neurologie, Charité, Universitätsmedizin Berlin und Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) Berlin

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