08.11.2023

Forschungspreis: Negami-App für Probleme nach Hirnverletzung

v.l.n.r.: Prof. Dr. Kathrin Reetz (Vizepräsidentin der Hirnstiftung), Britta Stammler (Preisträgerin), Prof. Dr. Frank Erbguth (Präsident der Hirnstiftung)

Besonders nach einem Schlaganfall ist bei vielen Betroffenen die Wahrnehmung für eine Körper- und Raumseite vermindert. Doch es gibt Therapien, die helfen. Eine App bietet dazu jetzt eine neuartige Lösung. Die Deutsche Hirnstiftung hat sie mit ihrem Forschungspreis 2023 im Wert von 5.000 Euro ausgezeichnet.

„Ich habe mich extrem über den Preis für das Projekt gefreut“, sagt die Empfängerin Britta Stammler vom Universitätsklinikum Tübingen. Ausgezeichnet wurde die Tablet-App „Negami“, deren Entwicklung Stammler mit geleitet hat. Die App unterstützt bei der Behandlung von Menschen, deren Wahrnehmung nach einer Hirnverletzung auf einer Körper- und Raumseite vermindert ist, medizinisch Neglect genannt. Das kann etwa nach einem Schlaganfall oder Schädel-Hirntrauma auftreten.

Negami ist anderen Behandlungsmethoden überlegen

Stammler hat im Rahmen ihrer Promotion seit 2021 selbst erforscht, ob die App anderen Behandlungsformen bei Neglect überlegen ist. Dazu untersuchte sie eine Negami-Therapiegruppe im Vergleich zu einer Gruppe mit Standard-Neglect-Behandlung. Das Ergebnis: Die Verbesserung in der Negami-Gruppe war statistisch sichtbar größer. Der Vorteil zeigte sich bereits nach einer Woche Therapie und war auch bis zu zwei Monate nach deren Ende zu beobachten.

Motivation durch spielerische Therapie

Negami-App in Benutzung © XPACE

„Durch die Studie konnte ich feststellen, dass die App mit ihren spielerischen Elementen Motivation und Spaß bei Menschen mit Neglect fördert“, sagt Forscherin Stammler. Dazu schauen Betroffene auf einen Tablet-Bildschirm, bewegen diesen durch den Raum und folgen oder suchen dabei einen virtuellen Vogel. Dieser wird von der App in das Sichtfeld der Suchenden projiziert.

Negami stößt auf internationales Interesse

Die Wirkung der App hat sich herumgesprochen. „Über 100 Reha-Einrichtungen möchten sie bereits nutzen und auch international würden wir sie gerne verfügbar machen“, sagt Stammler. Therapeuten und klinische Einrichtungen in den USA, Großbritannien, Spanien, Italien, der Ukraine und Schweiz haben bereits Interesse bekundet. Dazu soll die App ins Englische übersetzt und für das Betriebssystem Android angepasst werden sowie eine CE-Kennzeichnung erhalten. Diese ist für ein Medizinprodukt in der EU zwingend notwendig und sehr umfangreich.

„Für diese letzten Entwicklungs- und Zertifizierungsphase ist der Förderpreis der Deutschen Hirnstiftung 2023 von unschätzbarem Wert“, sagt Stammler. „Die Negami-App auf globaler Ebene zu etablieren und noch mehr Menschen zu helfen, wäre ein Meilenstein in der Behandlung des einseitigen Neglects.“

Entwicklung im interdisziplinären Team

Für die Entwicklung hat ein interdisziplinäres Team aus Medizin, Psychologie, User-Experience-Design und IT zusammengewirkt. „Die App ist dadurch sehr alltagstauglich geworden“, sagt Stammler. „Sie ist leicht zu verstehen, überfordert nicht und wird deswegen sehr gut angenommen.“

Die Idee kam ursprünglich von der Designerin Kathrin Flammer aus Karlsruhe und Prof. Dr. Dr. Hans-Otto Karnath vom Universitätsklinikum Tübingen. Dann stießen Software-Entwickler der Firma XPACE hinzu. Britta Stammler wurde Teil des Teams über eine Promotions-Stellenausschreibung aus Tübingen für die Erforschung der Wirksamkeit und Weiterentwicklung der App.

Hier erfahren Sie mehr zur Negami-App.

Das sagt Britta Stammler im Video zum Forschungspreis:

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