Helga Schubert: Der heutige Tag – Ein Stundenbuch der Liebe
dtv, München 2023, ISBN 9783423283199; 272 Seiten, 24,00 €
Die Autorin hat 2020 für ihren Text „Vom Aufstehen“ den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis erhalten. Jetzt hat sie einen Roman geschrieben, in dem sie in literarischer Sprache von der Pflege ihres 10 Jahre älteren Ehemanns berichtet. Helga Schubert will ihren Mann nicht ins Heim „abgeben“, sondern kümmert sich liebevoll um ihn. Sie schildert die Anstrengungen ohne Jammerton, aber auch die Befriedigung ihres Kümmerns. Es geht – so die Autorin – um „Loslassen“, „Annehmen“ und „Friedenschließen“. Sie schreibt: „Ich war mit diesem Mann ganz nah, immer. Das auszuhalten, dass jemand plötzlich weggeht, in eine andere Welt, dass man immer versucht, ihn in dieser Welt zu halten und dass man überlegt: Soll ich ihm dahin folgen? Also, ich komme ja wieder zurück, wenn ich will.“ Das persönliche und intime Buch über die Demenz eines Ehepartners beeindruckt durch seine poetische und anrührende Sprache. Der Text stiftet Kraft und Hoffnung für diejenigen Leser, die das Schicksal der Autorin teilen.
Die „Neurologische Trias“ von Martin Suter
Martin Suter: Small World (1999), Die dunkle Seite des Mondes (2002), Ein perfekter Freund (2003)
Romane jeweils als Diogenes Taschenbuch und als Film auf DVD im Handel
Nicht aktuell, aber dennoch immer wieder lesenswert, sind die ersten Bücher vom Schweizer Autor Martin Suter. In den drei Romanen – mittlerweile im Taschenbuchformat – „Small World“ (1999), „Die dunkle Seite des Mondes“ (2001) und „Ein perfekter Freund“ (2002) macht er drei unterschiedliche Formen der Bewusstseinsveränderung zum Thema: einmal verursacht durch Alzheimer, einmal durch Drogen und einmal durch eine Gedächtnisstörung nach einem Schädel-Hirn-Trauma. Locker und spannend werden die unterschiedlichen Geschichten im Krimi-Stil unterhaltsam erzählt. In unterschiedlicher Weise spielt das Gehirn mit seinen Stärken und Verletzlichkeiten jeweils eine wichtige Rolle. Alle Bücher wurden auch verfilmt.
Eine gut zusammen funktionierende Familie kommt plötzlich völlig aus dem Tritt, als die Mutter und Modedesignerin einen Schlaganfall in Form einer Hirnblutung erleidet. Die souveräne Frau kann plötzlich nicht mehr kommunizieren. Die drei Kinder versuchen, die Situation zu verarbeiten und die Pflege ihrer Mutter in ihr Leben zu integrieren. Die Mutter ist physisch noch da – aber als Person doch irgendwie verschwunden. In dem sehr einfühlsamen Porträt der Familie werden die Herausforderungen durch den Schicksalsschlag einer plötzlichen Hirnschädigung anschaulich ohne Klischees beschrieben.
Verrückte Geschichte „mit Epilepsie“
Norbert Scheuer: Winterbienen
Roman. Gebunden 319 Seiten. Beck Verlag, München 2019
1944: Der Roman spielt in der Eifel. Egidius Arimond, als Latein- und Geschichtslehrer frühzeitig aus dem Schuldienst entlassen, hat jede Menge „Frauengeschichten“, leidet an einer Epilepsie und um die Medikamente bezahlen zu können, versucht er, Juden in präparierten Bienenstöcken ins besetzte Belgien zu retten. Es wird brenzlig, als er ein Verhältnis mit der Frau des Kreisleiters beginnt und schließlich bei der Gestapo denunziert wird. Norbert Scheuer erzählt eine verrückte Geschichte und verknüpft darin sprachlich eindrucksvoll Krieg, Bomben, Liebe, Flucht, Epilepsie und Bienen. Die Epilepsie steht nicht im Vordergrund, ist aber auch mehr als schmückendes Beiwerk. Ein unterhaltsamer, anregender und nachdenklicher Roman.
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