13.01.2021

Corona-Impfung: Was müssen Neurologie-Patienten beachten?

Ältere Frau erhält eine Spritze in den Oberarm

Menschen mit neurologischen Erkrankungen können durch das Corona-Virus besonders gefährdet sein. Für die Impfung gibt es daher einiges zu beachten – aber keinen Grund zur Sorge. Die Deutsche Hirnstiftung beantwortet dazu die wichtigsten Fragen.

Sollten neurologische Patienten sich impfen lassen? Wenn ja, warum?

Ja, das sollten sie. Denn einige neurologische Krankheiten können mit einem erhöhten Risiko einhergehen, dass man im Fall einer Corona-Erkrankung einen schwereren, lebensbedrohlichen Verlauf mit Beatmung erleidet als zuvor Gesunde. Dabei spielt nicht die neurologische Krankheit selbst die entscheidende Rolle, sondern die damit verbundenen allgemeinen Risiken wie beispielsweise Immobilität, Ausmaß von Lähmungen, Einschränkungen der Atmung usw. Die wissenschaftlichen Daten zur Gefährdung von Patienten mit neurologischen Erkrankungen sind sehr unterschiedlich und hängen sehr davon ab, ob diese Begleiterkrankungen berücksichtigt werden.

Besonders gefährdet sind Menschen mit Demenz. Warum ist das so?

Demenzpatienten können die Verhaltens- und Hygieneregeln oft nicht mehr befolgen. Sie gehören daher zur zweiten Gruppe, die geimpft werden soll. Das gilt unabhängig vom Alter. Die erste Gruppe, umfasst Menschen über 80 Jahre. Damit erhalten bereits viele Demenzkranke den Impfschutz. Doch es gibt ja auch jüngere Demenzkranke.

Ist die Impfung auch bei Multipler Sklerose zu empfehlen?

Grundsätzlich ja, das sehen alle wissenschaftlichen Empfehlungen so, weil bei den derzeit zugelassenen Impfstoffen keine aktiven Krankheitserreger verabreicht werden. Bei bestimmten Medikamenten gegen Multiple Sklerose kann es allerdings sein, dass sich die Impfwirkung nicht oder nicht voll entfaltet. Das muss man im Einzelfall mit seinem Arzt besprechen.

Erhöht eine Immuntherapie das Risiko, schwer an Corona zu erkranken?

Nach den momentanen Erkenntnissen nicht. Aktuelle Studien deuten sogar auf eine gewisse positive Wirkung hin. Denn bei schweren Corona-Erkrankungen spielt das Immunsystem verrückt und es kommt zu einer Überreaktion. Was die eigentlich gegen die Corona-Viren gerichtete „wild gewordene“ Abwehr gut gemeint hat, erweist sich als Bumerang und zerstört eigene Körperzellen. Die Immuntherapie kann diese Überreaktion abschwächen.

Ungeimpfte Patienten vermeiden mitunter zum Neurologen zu gehen – aus Angst vor Ansteckung. Was können diese tun?

Sie sollten zunächst telefonisch Kontakt zu ihrem behandelnden Neurologen aufnehmen und die Symptome oder Probleme schildern. Einige Neurologen bieten auch telemedizinische Sprechstunden an. Ist der Arztbesuch trotzdem unumgänglich, muss man sich keine Sorgen wegen einer Ansteckung machen. In den Kliniken und Praxen werden die Hygieneregeln sehr ernst genommen. Daher gilt: Gerade bei Problemen oder neuen Symptomen sollten neurologische Patienten immer zum Arzt gehen, auch in Corona-Zeiten. Sonst riskieren sie, dass sie nicht rechtzeitig behandelt werden und Folgeschäden zurückbleiben.

Sollte ich auch ungeimpft den Notarzt rufen, wenn ich schwere neurologische Ausfälle habe – zum Beispiel Sprachstörungen, Gesichtslähmungen oder ich einen Arm nicht heben kann?

Ja! Und zwar immer und sofort. Das sind Symptome eines Schlaganfalls und da ist Schnelligkeit der wichtigste Faktor. Wird der Patient binnen weniger Stunden nach Einsetzen der Symptome behandelt, hat man gute Therapiechancen. Da können verstopfende Gerinnsel in den Hirngefäßen aufgelöst oder mit einem Katheter entfernt werden. Je mehr Zeit verstreicht, desto höher ist das Risiko Behinderungen zurückzubehalten oder sogar zu sterben.

Gibt es Nebenwirkungen oder Spätfolgen der Corona-Impfung, die bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen auftreten könnten?

Direkt nach der Impfung gibt es lokale Reaktionen an der Impfstelle wie bei jeder anderen Impfung. Selten kann es in der ersten Woche zu grippeähnlichen Beschwerden kommen. Bei jüngeren Patienten und bei der zweiten Impfung sind die etwas ausgeprägter. Späte Reaktionen mit einer Fehlreaktion des Immunsystems sind zwar sehr unwahrscheinlich, aber dazu lässt sich im Moment noch nichts sagen. Das ist aber alles weit weniger gefährlich, als sich anzustecken. Salopp gesprochen: Die Gefahr beim Verlassen der Wohnung einen schweren Verkehrsunfall zu erleiden ist deutlich höher, als durch die Impfung ein Problem zu bekommen.

Wenn ich wegen einer neurologischen Krankheit ins Krankenhaus muss, werde ich da dann gleich mit geimpft?

Nein, das ist nicht vorgesehen. Eine Impfung benötigt auch einige Zeit, um einen Schutz aufzubauen. Am besten ist es, sich durch den Hausarzt impfen zu lassen oder ein Impfzentrum zu kontaktieren.

Ist die Impfung grundsätzlich sicher?

Die zugelassenen Impfstoffe sind nach jetzigem Kenntnisstand sicher. Bei etwa zehn von einer Million Geimpften kann es schwere allergische Reaktionen geben. Das ist also extrem selten. Vor dem Impfen wird man außerdem nach Allergien gefragt. Die muss man auf jedem Fall angeben. Sollte es trotzdem eine Reaktion auf die Impfung geben, passiert das kurz danach. Man wird daher noch 15 Minuten vor Ort überwacht. Im Notfall kann dann der Arzt schnell eingreifen.

Die derzeit zugelassenen Impfstoffe basieren auf der sogenannten mRNA-Technologie. Kann sich mein Erbgut dadurch verändern?

Nein, definitiv nicht. Die mRNA ist nur eine Art Bauanleitung für ein Protein, das die Immunreaktion gegen Corona auslöst. Sie kann nicht in unser Erbgut eingebaut werden. Um es mal bildlich auszudrücken: Wenn man die Bauanleitung eines Regals mit nach Hause nimmt und das Regal aufbaut, verändert das nicht die Architektur des Hauses. So ist das auch mit der mRNA. Wie die Bauanleitung für das Regal nach dem Aufbau im Müll landet, wird auch die mRNA entsorgt und vom Körper abgebaut, wenn der Impfschutz steht.

Wenn ich geimpft wurde, darf ich dann auf die Abstandsregeln und das Tragen von Masken verzichten?

Nein. Man selber ist dann zwar weitgehend vor einer Corona-Erkrankung geschützt. Aber man kann sich trotzdem anstecken und auch ansteckend für andere sein. Allerdings verringert die Impfung die Ansteckungsfähigkeit deutlich.

Schützt Impfen vor neurologischen Spätfolgen von Corona?

Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe verhindern bei vielen Menschen eine Corona-Infektion. Das betrifft sowohl Infektionen mit Symptomen als auch solche ohne Symptome. Wenn trotz Impfung eine Infektion auftritt, verkürzen die Impfstoffe die Zeit, in der man ansteckend ist. Diese Aussagen gelten auch für die Delta-Variante. Für die Omikron-Variante liegen noch keine Daten vor. Da eine Impfung nicht zu einhundert Prozent schützt, ist die Einhaltung der weiteren Schutzmaßnahmen, wie Kontaktreduktion, Masken, Hygieneregeln, Abstandhalten und Lüften, auch für Geimpfte weiterhin einzuhalten.

Weitere Informationen zu den neurologischen Begleit- und Folgeerscheinungen einer Corona-Infektion finden Sie hier.

Haben Sie weitere Fragen wie diese zu neurologischen Erkrankungen? Wir beraten Patienten und Angehörige unabhängig und kostenfrei unter Tel. 030 / 531 437 936, im Online-Chat und am Expertentelefon. Nehmen Sie Kontakt auf!

Die Fragen beantwortete Prof. Dr. med. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung und Ärztlicher Leiter der Universitätsklinik für Neurologie, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Klinikum Nürnberg

Fragen zur Corona-Spätfolgen?

Hier erfahren Sie mehr:

https://hirnstiftung.org/2020/12/corona-virus-spaetfolgen/

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