29.09.2023

Wenn eine schwere Diagnose das Leben plötzlich in ein „Vorher“ und ein „Nachher“ teilt – wie Mut fassen?

© Ricardo Rojas via canva.com

Krankheiten bedeuten oft einen Einschnitt im Leben der Betroffenen. Doch es gibt Wege, um damit zurechtzukommen.

Eine schwere Krankheit teilt das Leben immer in zwei Abschnitte – dem „Vorher“ und dem „Nachher“. Mit einer solchen Diagnose zurechtzukommen, heißt letztlich, vom „Vorher“ Abschied zu nehmen, um das „Nachher“ bestmöglich gestalten zu können. Denn wer weiter an seinen nun zerplatzen Träumen und Zielen von vor der Erkrankung festhält, muss zwangsläufig verzweifeln. Die Fähigkeit hingegen, sich gedanklich, emotional und im Verhalten auf eine veränderte Situation einzustellen und selbstbestimmt sein Leben unter den veränderten Umständen neu zu gestalten, heißt Coping. Sie ist erlernbar und gerade auch für Menschen wichtig, die neurologisch erkrankt sind. Aus diesem Grund informiert die Deutsche Hirnstiftung im Rahmen einer Online-Veranstaltung am 17. Oktober 2023 über dieses Thema.

Veranstaltungshinweis

17.10.2023, 17 Uhr | Online-Veranstaltung

Coping – wie gehe ich mit meiner Erkrankung um?

Was man in belastenden Zeiten tun kann und welche Bewältigungsstrategien helfen. Mehr zur Coping-Veranstaltung erfahren

Die Diagnose einer neurologischen Erkrankung ist immer ein tiefer Einschnitt im Leben, erst recht, wenn es sich um eine schwere Erkrankung handelt, die (noch) nicht heilbar ist. Gerade neurodegenerative Erkrankungen, also solche, bei denen es zu einem stetigen Abbau von Nervenzellen und damit auch Körperfunktionen kommt, stellen eine außerordentliche psychische Belastung für die Betroffenen dar. Ob Demenz, Parkinson oder ALS: all diese Erkrankungen schreiten voran – wenn auch in unterschiedlichem Tempo – und die Richtung ist vorgezeichnet. Man kann zwar bei vielen dieser Krankheiten durch Medikamente und dem Lebensstil eine Verlangsamung des Fortschreitens erreichen, bisher aber noch keinen Stillstand. Selbst bei der MS, deren Verlauf seit einigen Jahren medikamentös massiv abgebremst werden kann und die damit viel von ihrem Schrecken verloren hat, müssen die Betroffenen ihre Alltagsaktivitäten oft anpassen.

Coping – sich auf die neue Situation einstellen

Um nicht zu verzweifeln und den Mut zu verlieren, fordern viele neurologische Diagnosen den Betroffenen ein hohes Maß dessen ab, das in der Psychologie „Coping“ genannt wird: die Fähigkeit, sich gedanklich, emotional und im Verhalten so auf die neue Situation einzustellen, dass man nicht daran zerbricht.

„Bei einer schweren Diagnose zieht es uns natürlich erstmal völlig den Boden unter den Füßen weg, wir fühlen uns hilflos und ausgeliefert. Das Wichtigste ist dann, wieder Herrin/Herr der Lage zu werden und trotz bzw. mit der Krankheit selbstbestimmt sein Leben zu gestalten“, erklärt Dr. phil. Caroline Kuhn, Leiterin der Neuropsychologischen Lehr- und Forschungsambulanz an der Universität des Saarlandes (UdS). Um das zu schaffen, gibt es bestimmte Bewältigungsstile. Manche Menschen gehen die Sache aktiv und problemorientiert an. Sie informieren sich über die Erkrankung und was sie selbst für einen bestmöglichen Verlauf beitragen können – quasi nach dem Motto: Wissen gegen Ohnmacht. Andere wiederum müssen lernen, sich von negativen Gedanken, Schuldzuweisungen, Verbitterung und der nagenden Frage „Warum ich?“ zu lösen, um ihr Leben in den Griff zu bekommen. Meist ist dafür eine psychotherapeutische Begleitung erforderlich. Diese hilft auch, die Diagnose emotional zu verarbeiten, Ängste und Verzweiflung zu bewältigen.

Psychotherapeutische Hilfe suchen

Eine psychotherapeutische Begleitung kann Betroffenen bei der Verarbeitung helfen und dabei die richtigen Weichen stellen. Sie ermöglicht ein strukturiertes Auseinandersetzen mit der neuen Situation. Das mündet dann im Idealfall in einer Akzeptanz und proaktiven, neuen Lebensgestaltung. „Coping bedeutet letztlich auch, sich von altem Denken, alten Gewohnheiten oder Lebenszielen zu verabschieden und stattdessen Mut zu fassen und Neuem Platz einzuräumen – und das kann erlernt werden“, erklärt die klinische Neuropsychologin und psychologische Psychotherapeutin Dr. Kuhn. Das gehe letztlich auch ohne psychotherapeutische Hilfe. Entscheidend für die Bewältigung seien, so die Expertin, immer drei Schritte: Sich zu informieren, Hilfe anzunehmen und über die Situation zu reden.

„Das Thema Coping hat insbesondere für Betroffene von neurologischen Erkrankungen und ihren Angehörigen eine besonders große Relevanz, da sie oft das Leben dramatisch verändern und oft keine Hoffnung auf eine Rückkehr in die vorherige ‚Normalität‘ besteht. Es ist uns, der Deutschen Hirnstiftung, daher ein Anliegen, Unterstützung und Halt zu geben, auch Wege der Bewältigung aufzuzeigen. Wir haben daher das ‚Coping‘ zum Thema unserer Online-Veranstaltung im Oktober gemacht und freuen uns, dass wir mit Dr. Caroline Kuhn eine renommierte Expertin zum Thema gewonnen haben“, erklärt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung


Haben Sie neurologische Fragen? Wir beraten Betroffene kostenfrei online und am Telefon. Mitglieder der Deutschen Hirnstiftung werden bevorzugt beraten. Bitte wenden Sie sich dazu an: info@hirnstiftung.org oder 030 531 437 936 (Mo-Fr, 10-14 Uhr).

Nutzen und fördern Sie unsere kostenfreie Beratung!

Ihre Spende oder Mitgliedschaft hilft uns helfen.

 

Weitere Artikel zu Aktuelles Startseite