22.07.2024

Zu viel Zucker versalzt die Hirngesundheit

© Daniel Heighton (Süßigkeiten), Anastasia Collection (Gehirn) / Collage: Deutsche Hirnstiftung

Das Gehirn braucht Zucker, um zu funktionieren. Doch zu viel davon befeuert auf Dauer die Entstehung von neurologischen Krankheiten. Darauf weisen die Deutsche Hirnstiftung und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) anlässlich des diesjährigen World Brain Days am 22. Juli hin. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Zucker ist in Deutschland fast doppelt so hoch wie maximal empfohlen.

Zu viel Zucker fördert gefäßbedingte Demenz

Zum einen schädigen hohe Blutzuckerspiegel die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden. Das verengt die Gefäße und drosseln die Blutzufuhr und damit die Versorgung der Gehirnzellen mit Nährstoffen.

Das kann zu verschiedenen Einschränkungen führen – je nachdem, welcher Teil des Gehirns unterversorgt ist – und am Ende sogar eine gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz nach sich ziehen. Diese ist nach Alzheimer die häufigste Ursache einer Demenz.

In Deutschland erkranken jährlich etwa 250.000 Menschen an einer Demenz, davon 15 bis 25 Prozent an einer gefäßbedingten Demenz [1]. Das sind zwischen 40.000 und 60.000 Neuerkrankte pro Jahr.

Gefäßverengung: eine Ursache für Demenz und Schlaganfälle © janulla

Zu viel Zucker beeinträchtigt womöglich auch die geistige Leistungsfähigkeit

Hinzu kommt, dass komplexe Zuckermoleküle im Gehirn, sogenannte Glykosaminoglykane, womöglich auch direkt die Kognition einschränken können. Neue Daten deuten darauf, dass sie die Funktion der Synapsen, den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen und somit die neuronale Plastizität beeinträchtigen. Das ist die Fähigkeit von Nervenzellen und Gehirnarealen, sich anzupassen und bei Bedarf zu erweitern. Dies ist eine wichtige Eigenschaft für die kognitive Entwicklung und das Lernen [2].

Bereits vor 20 Jahren hatte eine tierexperimentelle Studie darauf hingedeutet, dass eine fett- und zuckerreiche Kost die neuronale Plastizität stört [3]. Langfristig beeinträchtigte das auch die Funktion unseres Gedächtnisareals im Gehirn, den Hippocampus. Eine großes aktuelles Review kommt zu ähnlichen Erkenntnissen [4].

Zu viel Zucker fördert Diabetes und so Demenz

Außerdem gibt es eine indirekte hirnschädigende Wirkung von zu hohem Zuckerkonsum auf das Gehirn über einen Diabetes mellitus. Seit den 90er Jahren ist bekannt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko aufweisen. Man nimmt an, dass der Glukose-Stoffwechsel auch in den Neuronen gestört sein und so zur Entstehung der Alzheimer-Erkrankung beitragen könnte [5]. Glukose, auch Traubenzucker genannt, ist die häufigste Zuckerform und eine wichtige Energiequelle für den Menschen.

© YelenaYemchuk

Warum es uns so schwerfällt, auf Zucker zu verzichten

Die DGN und die Deutsche Hirnstiftung raten zu einem bewussten, möglichst geringen Zuckerkonsum. Leider fällt das vielen Menschen schwer – und die Gründe dafür sind ebenfalls im Gehirn zu verorten. So konnte man nachweisen, dass schon nach einer kleinen Menge Zucker der Darm über den Vagusnerv Signale an das Gehirn sendet, um dort ein starkes Verlangen nach mehr Zuckerkonsum auszulösen [6].

Dem Zucker-Teufelskreis entgehen

„Das könnte der Grund dafür sein, dass manche Menschen nach einem Stück Schokolade schnell mal die ganze Tafel aufgegessen haben“, sagt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung. „Außerdem wird bei Zuckerkonsum im Gehirn Dopamin ausgeschüttet, ein Wohlfühlhormon, was dazu führt, dass man immer mehr davon haben möchte.

„Es ist sinnvoll, durch weitgehenden Verzicht auf Zucker diesem Teufelskreis zu entgehen“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär und Pressesprecher der DGN. „Die Anstrengung lohnt sich, allein 40 Prozent aller Demenzfälle und 90 Prozent aller Schlaganfälle sind vermeidbar und viele von ihnen gehen auf das Konto von Industriezucker.“

© mediaphotos

Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke sinnvoll

Deutsche Hirnstiftung und DGN unterstützen daher die politische Forderung, Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke zu erheben. Der deutsche Zucker-Pro-Kopf-Verbrauch lag 2021/22 bei über 33 Kilogramm – und war damit fast doppelt so hoch wie empfohlen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) spricht sich dafür aus, dass maximal zehn Prozent der Energie aus Zucker stammen sollte [7].

Bei einem durchschnittlichen Kalorienbedarf pro Tag von 2.000 Kilokalorien entspricht dieser Wert 50 Gramm pro Tag, also 18 kg im Jahr. Dazu zählt nicht nur der zugesetzte Zucker, sondern auch der natürlich enthaltene, wie etwa in Früchten, Honig oder Säften. Doch auch viele andere Lebensmittel enthalten versteckten Zucker, wie Joghurts oder Tomatenketchup. Alkohol lässt den Blutzuckerspiegel ebenfalls stark ansteigen.

Quellen:

[1] Vaskuläre Demenz: Ursachen und Behandlung – Risikofaktoren
[2] Sugars affect brain ‘plasticity,’ helping with learning, memory, recovery
[3] A high-fat, refined sugar diet reduces hippocampal brain-derived neurotrophic factor, neuronal plasticity, and learning
[4] The Impact of Free and Added Sugars on Cognitive Function: A Systematic Review and Meta-Analysis
[5] Molecular and biochemical trajectories from diabetes to Alzheimer’s disease: A critical appraisal
[6] The gut-brain axis mediates sugar preference
[7] Quantitative Empfehlung zur Zuckerzufuhr in Deutschland


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