04.05.2023

Beipackzettel richtig lesen und Placebo-Effekt nutzen

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Wenn man an die Wirkung einer Tablette glaubt, hilft sie auch besser – der sogenannte Placebo-Effekt. Die Kraft der positiven Erwartung kommt aber nicht nur bei Scheinmedikamenten zum Tragen. Er ist auch ein Zusatzeffekt bei wirksamen Arzneimitteln. Umso wichtiger ist es, dass Erkrankte den Inhalt von Beipackzetteln richtig gewichten. Denn dort sind vor allem Risiken und Nebenwirkungen beschrieben, nicht aber die positiven Effekte.

Das Lesen eines Beipackzettels kann verstörend sein. Häufig ist unter dem Stichwort „Nebenwirkungen“ eine lange Liste an Erkrankungen aufgeführt, oft mit Fachbegriffen, die sich für Laien beängstigend anhören. Umgekehrt sind die positiven Wirkungen eines Medikaments nicht umfassend dargestellt und geraten daher häufig bei den Betroffenen aus dem Blickfeld.

Beispiel Blutdrucksenker: Auf Beipackzetteln erfährt man, dass diese gelegentlich Magen-Darm-Beschwerden auslösen. Unerwähnt bleibt, dass sie das Risiko für einen Schlaganfall halbieren. Auch Informationen zum Nutzen und zur Erfolgsquote fehlen. „Sehr hilfreich wäre etwa die Information, dass ein Blutdrucksenker zum Beispiel bei 95 von 100 Behandelten den oberen Blutdruckwert um 10 Punkte senken kann“, sagt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung.

Nebenwirkungen schwer einzuschätzen

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Hinzu kommt: Die wenigsten Menschen schätzen die Häufigkeitsangaben der Nebenwirkungen richtig ein. Die Angabe selten bedeutet beispielsweise, dass weniger als 10 von 10.000 Menschen eine Nebenwirkung haben, bei sehr selten ist es sogar weniger als einer pro 10.000. „Diese Angaben passen oft nicht zum allgemeinen Alltagsverständnis, was zu einer Überschätzung des Risikos führen kann“, erklärt Erbguth.

Der Experte gibt folgendes Beispiel: Auf die Frage, wie häufig in Deutschland ein Feiertag ist, würden die meisten Menschen „selten“ antworten. Es sind mindestens 10 pro Jahr. Nach der statistischen Definition in Beipackzetteln hieße dieses „selten“, dass es nur einen Feiertag alle 1.000 Tage gäbe, also alle zweieinhalb Jahre. Erbguth: „Was in den Beipackzetteln als seltene Nebenwirkung steht, ist also tatsächlich sehr unwahrscheinlich.“

Durch diese Häufigkeitsangaben und den Fokus auf Nebenwirkungen fördern Beipackzettel bei Erkrankten eher eine negative Erwartungshaltung, der sogenannte Nocebo-Effekt, nutzen aber nicht das Potenzial der positiven Erwartung für die Therapie und Gesundung. Denn dass es eine Placebo-Wirkung gibt, ist seit Jahrzehnten bekannt [1] und wurde umfassend beschrieben [2, 3].

Placebo-Effekt besser nutzen

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Besonders gut erforscht ist der Effekt bei Schmerzmitteln [4]: Wenn man an ihre Wirkung glaubt, schüttet der Körper sogar zusätzlich schmerzlindernde Substanzen aus. Aber auch bei einer Vielzahl anderer Prozesse – von der Atmung über die Verdauung bis hin zum Immunsystem – kann der Effekt sich auswirken. Mit dem Placebo-Effekt mobilisiert der Körper seine Selbstheilungskräfte.

Selbst bei neurologischen Erkrankungen, wie etwa Parkinson, ist die Wirkung der positiven Erwartung relativ groß. „Placebo-Effekte zu fördern und Nocebo-Effekte zu vermeiden, ist so bei nahezu jeder Behandlung unabhängig von der Erkrankung sinnvoll und möglich“, erklärt Erbguth. Die beste Gelegenheit dazu biete das Arzt-Patienten-Gespräch.

Neues zum Placebo-Effekt und wie man ihn für sich nutzen kann, erfahren Interessierte bei der kostenfreien Online-Veranstaltung in Kooperation mit der Deutschen Hirnstiftung „Die Kraft der Erwartung: Wie Sie als PatientIn Ihre Therapie positiv beeinflussen können“ am 9. Mai, 17:30 bis 19:30 Uhr. Zur Anmeldung geht es hier: hirnstiftung.org/veranstaltungen/kraft-der-erwartung


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