30.09.2022

Eine erfolgreiche Epilepsie-Therapie rettet Leben

Epilepsie betrifft viele Menschen und wird als Krankheit oft unterschätzt. Dabei verstirbt jährlich allein einer von 1.000 Betroffenen am sogenannten plötzlichen Epilepsie-Tod. In Deutschland sind das jährlich ca. 550 Todesfälle, hinzu kommen anfallsbedingte Einschränkungen und Risiken für Unfälle. Das Mortalitätsrisiko sinkt mit der Anfallshäufigkeit. Eine erfolgreiche Therapie von Menschen mit Epilepsie hebt also nicht nur ihre Lebensqualität, sondern kann Leben retten.

Epilepsie ist eine häufige neurologische Erkrankung – und sie kann jeden treffen. Etwa 10 Prozent aller Menschen erleiden im Laufe ihres Lebens einen Krampfanfall, ca. 0,6 Prozent sind von einer Epilepsie betroffen. Während man die Epilepsie oft für ein Gesundheitsproblem des Kindes- und Jugendalters hält, bleibt festzustellen: nicht nur! Kinder unter 10 Jahren sind zwar häufig betroffenen, die Epilepsie tritt aber weit häufiger bei Menschen jenseits des 60. Lebensjahres auf.

Zahl der Epilepsie-Betroffenen steigt

„Angesichts der demografischen Entwicklung ist es hier zu einer deutlichen Verschiebung gekommen. Durch den hohen Anteil älterer Menschen ist auch der Anteil der Menschen, die im höheren Alter unter einer Epilepsie leiden, gestiegen“, erklärt Professorin Susanne Knake, 1. Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie. „In der Zeit zwischen jungem Erwachsenen- und Rentenalter ist die Erkrankung hingegen relativ selten.“

Epilepsien können ohne eine bekannte Ursache auftreten, sie können aber auch Folge struktureller Veränderungen der Hirnrinde sein, genetische oder immunologische Ursachen haben oder auf eine zugrundeliegende Erkrankung, wie zum Beispiel eine Infektion, einen Hirntumor oder einen Schlaganfall hindeuten.

Viele Epilepsie-Todesfälle wären zu verhindern

Pro Jahr kommt es Schätzungen zufolge zu 1,16 Fällen des sogenannten SUDEP (steht für „sudden unexpected death in epilepsy“, also plötzliche und unerwartete Todesfälle, die zum Teil kurz nach epileptischen Anfällen auftreten; kurz: plötzlicher Epilepsie-Tod) pro 1.000 Epilepsiepatientinnen/-patienten. Bei etwa 480.000 Betroffenen (0,6 % der Bevölkerung von 80 Mio.) sind das pro Jahr in Deutschland 550 Todesfälle, von denen – so ist sich die Expertin sicher – viele verhindert werden könnten.

„Wir wissen, dass allein zwei sogenannte bilateral tonisch-klinische Anfälle bei einer/einem Betroffenen das SUDEP-Risiko um das 25-Fache erhöhen und daher ist die frühzeitige und erfolgreiche Therapie der Betroffenen mit dem Behandlungsziel der Anfallsfreiheit so wichtig – zumal sie in den vielen Fällen auch möglich ist“, erklärt Prof. Knake. Hinzu kommen das reduzierte Unfallsrisiko sowie die bessere Lebensqualität, wenn Patientinnen und Patienten und Angehörige keine Anfälle mehr befürchten müssen.

Epilepsietherapie umfasst aber noch weit mehr als nur die Behandlung von Anfällen. Eine umfassende Beratung zu Themen wie Fahreignung, Kinderwunsch und Schwangerschaft, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen der Medikation, Berufseignung oder auch Sport ist wichtig, auch schon zu Beginn der Erkrankung. Hier sind neben der medizinischen Beratung vor allem auch Beratungen durch eine Epilepsieberatungsstelle wichtig, hier kann man, meist anonym und kostenfrei, an diese speziellen Informationen zu solchen Fragestellungen kommen.

Therapieziel: Anfallsfreiheit

Um das Therapieziel, die Anfallsfreiheit, zu erreichen, empfiehlt die Expertin die Mitbetreuung durch ein Epilepsiezentrum, ein Schwerpunktzentrum oder eine Spezialambulanz für Epilepsie. Das Versorgungsnetz sei gut und Spezialambulanzen/Epilepsiezentren in Deutschland in allen Bundesländern verfügbar. „Dennoch gibt es Betroffene, die oft 10 oder 15 Jahre lang nur Medikamente verschrieben bekommen haben, auf die sie nicht gut ansprechen, und die ihre Anfälle einfach als gegeben hinnehmen, weil sie denken, man könne da nicht mehr tun.“

Dieses Informationsdefizit möchte die Deutsche Hirnstiftung mit ihrer Online-Veranstaltung am Tag der Epilepsie, am 5. Oktober 2022, gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie beheben. Neben vielen anderen Themen wird auch umfassend über Therapiewege, die zur Anfallsfreiheit führen, informiert. Dazu gehört auch die Epilepsiechirurgie, die insbesondere für die Patientinnen und Patienten eine Therapiemöglichkeit bietet, die eine fokale, d.h. von einer Stelle im Gehirn kommende Epilepsie haben und bei denen sich die Medikamente als wirkungslos erwiesen haben.

Epilepsie-Heilung durch Hirn-OP möglich

Allerdings gibt es noch immer große Vorbehalte: „Die Vorstellung, am Gehirn operiert zu werden, macht vielen Menschen Angst. Dabei sind die Eingriffe heute sehr sicher und die Abklärung im Vorfeld extrem genau. Wir können oft genau feststellen, wo im Gehirn die Epilepsie ausgelöst wird und wo wichtige funktionstragende Gebiete (Sprache, Gedächtnis, Motorik) liegen. Eine Operation wird nur empfohlen, wenn die Chancen auf Anfallsfreiheit als gut bewertet werden und die Operation als sicher betrachtet wird“, erklärt die Expertin.

Der große Vorteil dieser Therapie ist ihre hohe Wirksamkeit: Auch nach zehn Jahren sind je nach Lage und Art der Epilepsie bis zu 70-80 Prozent der operierten Patientinnen und Patienten noch immer komplett anfallsfrei. „Zusammen mit den Neurochirurgen und der Therapie durch das Team an einem Epilepsiezentrum erreicht man bei einem Großteil der Betroffenen durch die Operation de facto eine Heilung.“

Ohne Medikamente oder Operation als Alternative

Weitere alternative Therapiemöglichkeiten zur medikamentösen Therapie stellen Hirnstimulationsverfahren dar, darunter die Vagusnerv-Stimulation, die transkortikale Stimulation und die Tiefe Hirnstimulation. Erstere kann sogar auch völlig ohne operativen Eingriff erfolgen, man trägt den Stimulator dann wie einen Knopf im Ohr. Allerdings sind alle Stimulationsverfahren nicht so effektiv wie eine epilepsiechirurgische Operation – man geht davon aus, dass über drei bis fünf Jahre etwa die Hälfte der Anfälle verhindert werden kann. „Aber auch das stellt bereits eine deutliche Verbesserung für die Prognose der Betroffenen dar, denn jeder verhinderte Anfall senkt das Risiko, einen SUDEP zu erleiden“, lautet das Fazit von Prof. Knake.


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