30.07.2020

Alkohol und Migräne: Kann Verzicht die Anfallshäufigkeit senken?

Das Leben von Migräne-Patienten ist stark beeinträchtigt. Jeder Anfall ist einer zu viel. Deshalb wird alles versucht, um Attacken zu verhindern. Eine Möglichkeit ist die Vermeidung möglicher Auslöser, zu denen bei vielen Patientinnen und Patienten auch Alkohol gehört. Mit dem Verzicht auf Rotwein & Co. sind Betroffene gut beraten, denn Alkohol ist ein Migräne-Trigger.

In Deutschland leiden ca. acht Millionen Menschen unter Migräne. Nur wer es einmal selbst erfahren oder miterlebt hat, kann es nachempfinden: Der Leidensdruck von Migräne-Patienten mit ihren unerträglichen Kopfschmerzen, oft verbunden mit Übelkeit, Erbrechen, Überempfindlichkeit gegenüber Licht, Gerüchen und Geräuschen sowie anderen neurologischen Beschwerden, ist enorm. Betroffene werden oft mehrmals im Monat von heftigen Anfällen attackiert, die sie völlig „außer Gefecht setzen“ und ein normales alltägliches Leben nahezu unmöglich machen.

Auslöser für Migräne ausschalten

Die Ausprägung, Dauer, Häufigkeit und die Gründe für eine Attacke sind individuell sehr unterschiedlich. Viele Patienten kommen nicht ohne die Einnahme von Medikamenten aus, sei es bei Bedarf wegen der Schmerzen oder regelmäßig zur Prophylaxe von Anfällen. Gänzlich auszuschalten sind die Attacken jedoch nicht, da die eigentlichen Ursachen dieser neurologischen Erkrankung nicht vollständig bekannt sind. Viele Betroffene achten deshalb darauf, aus der persönlichen Erfahrung heraus erkannte Auslöser (sog. Trigger) auszuschalten, um die Anzahl der Anfälle zu reduzieren. Trigger können z. B. Stress, Wetterwechsel, Schlafstörungen/-mangel, Hormonveränderungen, auch extreme Sinneswahrnehmungen oder bestimmte Nahrungsmittel inkl. alkoholischer Getränke sein.

Alkohol ist ein bekannter Trigger

Ganz neu ist die Erkenntnis nicht, dass Alkohol, insbesondere Rotwein, oft in Kombination mit anderen möglichen Auslösern einer der Triggerfaktoren für Migräne-Attacken ist. Es wurde auch bereits in wissenschaftlichen Studien gezeigt, dass dies auf Inhaltsstoffe wie Histamine und chemische Verbindungen zurückzuführen sein könnte, die häufig natürlicher Begleitstoff von Nahrungsmitteln sind, zu deren Fertigung Gärung oder Fermentation gehören.

Fachwelt ist uneins

Trotzdem werden die Zusammenhänge von Migräne und Alkohol in der Fachwelt z. T. kontrovers diskutiert, weil zuweilen auch angezweifelt wird, dass Alkohol ein eigenständiger Migräne-Trigger ist. So meinen die Autoren einer niederländischen Studie aus dem Jahr 2019, dass Rotwein als Auslöser von Migräne-Attacken überbewertet werde. Die Studie zeigte, dass Rotwein zwar bei einem Großteil der rund 2.000 befragten erwachsenen Migräne-Patienten oft schon kurz nach dem Genuss einen Anfall auslöst, auch wenn nur bei rund neun Prozent der Patienten immer und jedes Mal der Fall ist. Heißt das nun, Alkohol ist als Trigger zu vernachlässigen?

Ein Trigger-Tagebuch kann helfen

Keinesfalls, sagt der Neurologe Professor Dr. Hans-Christian Diener, Seniorprofessor an der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen. Für ihn wie auch für andere Experten steht das Triggerpotenzial von Alkohol außer Frage, auch wenn noch nicht ganz klar ist, wie groß der Einfluss gerade von Rotwein wegen besonders hoher Anteile an Migräne-auslösenden Inhaltsstoffen tatsächlich ist. Ratsam sei vielmehr, alle vermeidbaren möglichen Migräne-Auslöser so gut es geht zu meiden. Und so wenig wie möglich Alkohol zu trinken, statt eine Attacke zu riskieren, dürfte im Vergleich zu anderen Auslösern für die meisten eine der leichteren Übungen sein. Ob und welche Trigger infrage kommen, muss jeder Patient für sich selbst testen, indem er versucht, alle potenziellen Migräne-Auslöser auszuschalten, und z. B. mithilfe eines Tagebuchs kontrolliert, welche Auswirkungen der Konsum bestimmter Nahrungsmittel oder eben der Verzicht darauf hat.

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