Stiff-Person-Syndrom (SPS)

Auf einen Blick

Hier finden Sie das Wichtigste auf einen Blick. Ausführliche Informationen haben wir weiter unten zusammengestellt.

Häufigkeit – Das SPS ist eine seltene Erkrankung. Die Häufigkeit liegt etwa bei einer Neuerkrankung jährlich pro 1 Million Einwohner. Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer.

Hauptsymptome – Erhöhte Spannung der Muskulatur mit Muskelverhärtungen und Steifigkeitsgefühl, insbesondere im Bereich der rumpfnahen Muskulatur. Oft auch einschießende Muskelkrämpfe, die häufig durch bestimmte Reize (z.B. Berührung, Geräusche, Schreck) ausgelöst bzw. verstärkt werden.

Diagnostik – Die Diagnose wird gestellt durch die neurologische Untersuchung sowie typische Veränderungen in der Elektromyographie (elektrophysiologische Untersuchung der betroffenen Muskeln) und dem Nachweis bestimmter typischer Antikörper im Blut bzw. Nervenwasser (am häufigsten GAD-, aber auch Glycin-Rezeptor- und anderer Antikörper).

Behandlung – Die Behandlung stützt sich auf die drei Säulen: 1. Physiotherapie und muskelentspannende Maßnahmen, 2. muskelentspannende Medikamente (zur symptomatischen Behandlung) und 3. ggf. Immuntherapie (z.B. mit Kortisonpräparaten, Immunglobulinen oder Immunsuppressiva).

Wichtig zu beachten – Stress, äußere Reize und manche Medikamente können die Symptome verstärken (z.B. L-Dopa).

Das Krankheitsbild kann sehr vielgestaltig und im Verlauf wechselnd auftreten. Im Vordergrund steht eine in der Ausprägung wechselnde Steifigkeit der Muskulatur, oft mit schmerzhaften Krämpfen. Hiervon sind hauptsächlich der Rumpf und die Beine betroffen. Oft werden dadurch Gangstörungen mit Blockaden und Stürzen verursacht. Auch Fehlhaltungen und Skelettdeformitäten können entstehen. Weiterhin zeigen sich oft eine erhöhte Empfindlichkeit gegen äußere Reize (wie Berührung, Kälte/Wärme, Geräusche etc.), eine gesteigerte Schreckhaftigkeit, episodisch auftretende vegetative Störungen wie Schwitzen oder beschleunigter Herzschlag sowie psychische Auffälligkeiten, insbesondere Angststörungen.

In selteneren Fällen ist nur eine Gliedmaße betroffen, dann spricht man vom „Stiff-Limb-Syndrom“ (SLS). Das SPS kann auch mit weiteren Krankheitszeichen kombiniert sein (z.B. epileptischen Anfällen, Lähmungen, Spastik, Muskelzuckungen, Sensibilitätsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Hirnnervenausfällen, autonomen Störungen). Dann spricht man von einer „Plus-Variante“ des SPS im Sinne eines „PERM“ (progressive Enzephalomyelitis mit Rigidität und Myoklonien).

Das SPS ist eine chronische Autoimmunerkrankung (durch fehlgeleitete Reaktion der eigenen Körperabwehr verursachte Erkrankung). Häufig bestehen gleichzeitig noch weitere autoimmune Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ I (Zuckerkrankheit), Schilddrüsenfunktionsstörungen, Vitiligo, atrophische Gastritis und andere.

Beim SPS kommt es im Rahmen dieser autoimmunen Störung zu einer gesteigerten Erregbarkeit der Muskulatur. Diese wird durch Antikörper verursacht, die zentrale hemmende Bahnen blockieren, indem sie gegen bestimmte Eiweiße an Synapsen (Übertragungsstellen zwischen Nervenzellen) wirken. Am häufigsten sind Antikörper gegen Glutamat-Decarboxylase (GAD, ca. 70 %), seltener gegen Glycin-a1 Rezeptor (GlyR, 10-15 %), Amphiphysin (2 %), GABA-A-Rezeptor und DPPX (beide weniger als 2 %).

Das weibliche Geschlecht ist etwa doppelt so häufig betroffen, was für Autoimmunerkrankungen typisch ist. Häufig liegen gleichzeitig noch weitere Autoimmunerkrankungen vor. Wirksame Präventionsmöglichkeiten sind bisher nicht bekannt.

Das SPS kann im Alter von 1 bis 81 auftreten, das mittlere Erkrankungsalter ist 46. Der Verlauf ist chronisch. Schleichende Verschlechterungen über Monate können von stabilen Phasen über Monate bis Jahre gefolgt werden. Auch akute Krankheitsschübe können vorkommen. Spontanheilungen sind selten.

Die Diagnose stützt sich auf drei Säulen:

  1. die typische Vorgeschichte mit den charakteristischen Beschwerden und klinischen Zeichen (Muskelsteifigkeit, insbesondere an Rumpf und Beinen, einschießende Krämpfe, erhöhte Reizempfindlichkeit etc.)
  2. typische Untersuchungsbefunde im EMG (Elektromyographie, Ableitung elektrischer Aktivität in der betroffenen Muskulatur mit Untersuchungsnadeln)
  3. Nachweis von charakteristischen Antikörpern (gegen GAD, GlyR, Amphyphysin, GABA-A-R, DPPX). Hierbei ist der Nachweis im Nervenwasser noch zielführender als im Blut. Aber auch ohne nachweisbare Antikörper kann ein SPS vorliegen

Bei einer Erkrankungsdauer von unter fünf Jahren ist eine Tumorsuche angezeigt, weil auch eine Entstehung in Verbindung mit einer bösartigen Neubildung (paraneoplastische Genese) möglich ist. Immer ist eine sorgfältige Ausschlussdiagnostik bezüglich anderer Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen unerlässlich, z.B. Multiple Sklerose, Rückenmarkserkrankung, Parkinson, Dystonie.

Wegen der Seltenheit und der großen Vielseitigkeit des Erkrankungsbildes ist die Diagnose eines SPS häufig erschwert und wird oft erst spät gestellt. Auch können die Symptome als funktionell, neurotisch oder psychiatrisch verkannt werden.

Man unterscheidet die an den Beschwerden ansetzende Behandlung (symptomatische Therapie) und die an den Ursachen ansetzende Behandlung (kausale Therapie).

  1. Symptomatische Therapie:

Die Grundlagen bilden gezielte Physiotherapie, Krankengymnastik und muskelentspannende Maßnahmen, Vermeidung von auslösenden Reizen. Zudem können muskelentspannende Medikamente helfen, z.B. Baclofen und Tizanidin. Diazepam ist häufig schon in niedriger Dosierung gut wirksam, kann aber zu Gewöhnung führen. In ausgewählten Fällen kann auch das Botulinumtoxin erfolgreich in die besonders betroffene Muskulatur gespritzt werden.

  1. Kausal ansetzende Therapie

Wenn die symptomatische Therapie nicht ausreicht, können aufgrund der autoimmunen Entstehung der Erkrankung Medikamente erfolgreich sein, die das Immunsystem bremsen. Hier ist – wie bei anderen Autoimmunerkrankungen – in erster Linie die Anwendung von Kortisonpräparaten (Prednisolon, Methylprednisolon u.a.) geeignet. Allerdings sind mögliche Nebenwirkungen und Langzeitfolgen zu beachten.

Auch Immunglobuline (IVIG) können erfolgreich eingesetzt werden, insbesondere in Krisensituationen. Alternativ kommt bei einer Krise auch eine Blutwäschebehandlung (Plasmapherese) infrage.  In der Langzeittherapie können auch Immunsuppressiva eingesetzt werden, insbesondere Azathioprin, Mycophenolatmofetil und Rituximab.

Spontanheilungen sind selten. Unter Therapie ist häufig eine erhebliche und langanhaltende Besserung zu erreichen.

Günstig ist, wenn es dem Patienten und seiner Umgebung gelingt, auslösende Faktoren zu identifizieren und zu vermeiden. Hier sind vor allem äußere Reize, Geräusche, Erschrecken und bestimmte Arten von Stress zu nennen. Auch Medikamente können SPS-Beschwerden verstärken, insbesondere das Parkinson-Medikament L-Dopa.

Autor: Dr. med. Frank Hoffmann, Klinik für Neurologie, Krankenhaus Martha-Maria Halle-Dölau

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