Seltene Vaskulopathien: Posteriores Enzephalopathie-Syndrom (PES) & reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RCVS)

Auf einen Blick

Hier finden Sie das Wichtigste auf einen Blick. Ausführliche Informationen haben wir weiter unten zusammengestellt.

Häufigkeit – Die genaue Häufigkeit von PES und RCVS in der Allgemeinbevölkerung ist nicht bekannt, in erster Linie treten beide Erkrankungen in Zusammenhang mit bestimmten Vorerkrankungen oder bei der Einnahme bestimmter Medikamente auf.

Hauptsymptome – PES: Das zumeist plötzliche und teilweise dramatische Krankheitsbild ist charakterisiert durch Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Sehstörungen und epileptische Anfälle. Das RCVS ist charakterisiert durch innerhalb von Sekunden bis Minuten auftretende schwerste Kopfschmerzen, die von neurologischen Ausfallserscheinungen begleitet sein können.

Diagnostik – Neben der typischen Präsentation und bei Vorhandensein von entsprechenden Auslösefaktoren wird die Diagnose geleitet durch charakteristische Veränderungen des Gehirns bzw. der Gefäße in der Computer- oder Kernspintomographie und nach Ausschluss anderer Erkrankungen.

Behandlung – Wichtig ist die Überwachung im Krankenhaus, bevorzugt auf einer Stroke Unit, und die Beseitigung der Ursachen.

Wichtig zu beachten – Ungewohnt starke Kopfschmerzen oder Kopfschmerzen, die von neurologischen Ausfällen begleitet werden, unbedingt ernst nehmen und abklären lassen! Dies gilt besonders für Menschen mit ernsthaften Vorerkrankungen und Frauen im Rahmen einer Schwangerschaft.

Das PES (posteriores Enzephalopathie-Syndrom) ist eine 1996 erstmals beschriebene akut auftretende Erkrankung des Gehirns. Die klinische Symptomatik entsteht häufig sehr plötzlich und dramatisch, kann sich aber auch fortschreitend innerhalb weniger Tage entwickeln und ist gekennzeichnet durch Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Sehstörungen und epileptische Anfälle. Zumeist werden betroffene Patienten als Notfälle im Krankenhaus vorgestellt. Die genaue Häufigkeit von PES in der Allgemeinbevölkerung ist nicht bekannt, insgesamt handelt es sich aber um eine seltene Erkrankung.

Das Hauptsymptom vom RCVS ist ein plötzlicher, in Intensität innerhalb von wenigen Minuten rasch zunehmender und sehr starker Kopfschmerz („Vernichtungskopfschmerz“). Diese Kopfschmerzen beginnen häufig beidseitig am Hinterkopf, breiten sich über den ganzen Kopf aus und können durch bestimmte Aktivitäten verstärkt werden (Husten, Pressen). Begleitend kann es zu Übelkeit, Verwirrtheit, aber auch zu neurologischen Ausfallserscheinungen (z. B. Störung der Sprache oder Lähmungen) oder zu epileptischen Anfällen kommen. Nicht selten ist der Blutdruck deutlich erhöht. Aufgrund des raschen Auftretens mit ausgeprägten und gelegentlich schwerwiegenden Symptomen führt das RCVS häufig zu einer notfallmäßigen Krankenhausvorstellung.

Die genaue Entstehung des PES ist nicht bekannt, man vermutet aber ein Zusammenspiel vielfältiger Ursachen. Es ist beschrieben, dass PES häufig bei Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen oder nach bestimmten Therapien auftritt. So wurde PES häufig in Zusammenhang mit Bluthochdruck, schwangerschaftsassoziierten Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Medikamenten zu Unterdrückung des körpereigenen Abwehrsystems (Immunsuppression) oder Therapien zur Behandlung von Krebs (Chemotherapie) beschrieben. Man vermutet, dass diese unterschiedlichen Auslöser Veränderungen der Blutgefäße bedingen, die schließlich zu einer Schwellung des Gehirns führen, die bevorzugt in den hinteren (posterioren) Teilen des Gehirns auftritt und ein typisches Merkmal des PES darstellt.

Die Ursache des RCVS ist weitgehend unbekannt. Man vermutet eine multifaktorielle Verursachung mit einer erhöhten Aktivierung des sogenannten sympathischen Nervensystems. Diese verursacht eine Verkrampfung der Hirngefäße und führt zu umschriebenen Einengungen der Arterien (sogenannte Vasokonstriktion). Diese wiederum können zu Durchblutungsstörungen (Schlaganfällen), Blutungen oder Wassereinlagerungen in das Gehirn (Ödem) führen.

Risikofaktoren, deren Behandlung im Vorfeld ein PES verhindern könnte, sind nicht bekannt. Nicht alle Menschen, die an den oben genannten Erkrankungen leiden oder auslösende Medikamente einnehmen, entwickeln ein PES. Wichtig ist, die plötzlichen Symptome – die jedoch nicht spezifisch sind und bei vielen anderen neurologischen Erkrankungen auftreten können – ernst zu nehmen. Nach der Diagnosestellung ist es entscheidend, die individuellen Ursachen zu identifizieren.

Risikofaktoren für das Auftreten eines RCVS sind nicht bekannt. Allerdings ist beobachtet worden, dass die Erkrankung gehäuft nach der Einnahme von bestimmten Substanzen (Drogen) oder Medikamenten (mit sogenannter adrenerger oder serotonerger Wirkung), die sich auf die Regulation der Gefäßweite auswirken (auch Nasensprays), auftritt. Ebenso kann sich dieses Krankheitsbild nach einem operativen Eingriff am Gehirn oder im Wochenbett nach einer Entbindung entwickeln. Letzteres erklärt, warum Betroffene häufiger Frauen im gebärfähigen Alter sind.

Bei rechtzeitiger Erkennung und Behandlung, vor allem nach Ausschaltung möglicher auslösender Faktoren, bildet sich das PES häufig innerhalb von Tagen bis Wochen vollständig zurück. In den meisten Fällen müssen Patienten mit einem PES auf einer Stroke Unit, teilweise auch auf der Intensivstation, überwacht werden. Wenn ein Bluthochdruck als Ursache vermutet wird, wird dieser medikamentös therapiert und sehr engmaschig kontrolliert. Die klinische Besserung des PES geht häufig der vollständigen Rückbildung der bildgebenden Veränderungen im Gehirn voraus. In seltenen Fällen kann die Erkrankung fortschreiten und zu Komplikationen führen, die schwerwiegende neurologische Dauerstörungen verursachen oder in Ausnahmefällen auch zum Tode führen.

Die Dauer der Symptome der RCVS ist unterschiedlich: Sie kann von wenigen Minuten, über einige Stunden und sogar Tage anhalten. Über die Häufigkeit des Auftretens dieser Erkrankung sind keine genauen Daten bekannt, insgesamt handelt es sich aber um eine seltene Störung. Die Attacken können sich in einem Zeitraum von vier Wochen wiederholen. Man geht jedoch davon aus, dass sich das RCVS – und die zugrunde liegenden Veränderungen der Gefäße – innerhalb von zwölf Wochen vollständig zurückbilden.

Die Diagnose PES wird bei entsprechender klinischer Symptomatik und typischen Befunden in der computer- oder kernspintomographischen Darstellung des Gehirns gestellt. Das Vorliegen bestimmter Vorerkrankungen kann den Neurologen bei der Diagnosestellung leiten.

Die Diagnose RCVS wird bei Patienten mit typischen Symptomen durch den Nachweis von Einengungen an den Gefäßen des Gehirns in einer Gefäßdarstellung (Angiographie) gestellt. Es gibt unterschiedliche Verfahren der Gefäßdarstellung: die Ultraschalluntersuchung (Duplexsonographie), die computer- oder kernspintomographische Angiographie oder die kathetergestützte (sogenannte konventionelle) Angiographie, bei der Kontrastmittel direkt in das Gefäßsystem injiziert wird. Manchmal finden sich zusätzlich Veränderungen des Nervenwassers (Liquor) mit Zeichen einer entzündlichen Reaktion. Wichtig ist das konsequente Ausschließen anderer möglicher Ursachen von plötzlichen heftigen Kopfschmerzen, insbesondere einer Subarachnoidalblutung.

Das PES ist eine Notfallerkrankung, die einer sofortigen neurologischen Diagnose und Therapie bedarf. Menschen mit ernsten Vorerkrankungen oder schwangere Frauen, die plötzlich über Kopfschmerzen und/oder Sehstörungen klagen, eine Wesensänderung haben oder das Bewusstsein verloren haben, müssen sofort in ein Krankenhaus gebracht werden.

Das RCVS wird stationär behandelt. In der Regel werden Patienten auf einer Schlaganfallstation (Stroke Unit), manchmal sogar auf einer Intensivstation überwacht. Neben dem Absetzen möglicher auslösender Medikamente zielt die Therapie in erster Linie auf eine Aufrechterhaltung der Hirndurchblutung ab. Diese kann man mit verschiedenen gefäßerweiternden Medikamenten und über eine Steuerung des Blutdrucks erreichen. In manchen Fällen müssen die Engstellen der Gefäße durch katheterbasierte Eingriffe wiedereröffnet werden.

Sowohl für PES, als auch für RCVS gilt: Bei rechtzeitiger Behandlung ist in den meisten Fällen von einer guten bis vollständigen Rückbildung der Symptome auszugehen.

 

Manche Menschen haben allerdings aufgrund einer nicht reversiblen Schädigung des Gehirns infolge eines PES bleibende Ausfallserscheinungen. Sie müssen sich nach Abschluss der Akutbehandlung einer stationären oder ambulanten Rehabilitationstherapie unterziehen. Manche Patienten müssen nach einer PES besonders streng auf ihre Blutdruckeinstellung achten.

In manchen Fällen können Folgeschäden des RCVS entstehen, deren Ausmaß von der Größe und der Lokalisation von Durchblutungsstörungen oder Blutungen des Gehirns, die als Komplikation auftreten können, abhängig ist. Dann sind gezielte Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich.

Kopfschmerzen sind ein sehr häufiges Beschwerdebild und können sowohl im Rahmen von weniger dringlichen Erkrankungen als auch als Zeichen von ernsten oder gar lebensbedrohlichen Krankheiten auftreten. Es ist sehr wichtig, neuartige Kopfschmerzen und vor allem solche, die von neurologischen Ausfallserscheinungen oder Störungen begleitet werden, ernst zu nehmen. Dabei stellen Sehstörungen, Störungen der Wachheit oder der Kommunikation oder sogar epileptische Anfälle sehr ernst zu nehmende Konstellationen dar, die eine sofortige Abklärung erfordern. Insbesondere gilt dies für Menschen mit ernsthaften Vorerkrankungen oder schwangere Frauen.

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Autorin: Prof. Dr. Kristina Szabo, Universitätsmedizin Mannheim

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