Lambert-Eaton-Myasthenes-Syndrom (LEMS): Symptome, Ursachen, Behandlung

Auf einen Blick

Hier finden Sie das Wichtigste auf einen Blick. Ausführliche Informationen haben wir weiter unten zusammengestellt.

Häufigkeit – Ca. 5 von 1 Mio. Einwohnern sind von dieser seltenen neurologischen Erkrankung betroffen. LEMS ist 10-20 Mal seltener als eine Myasthenia gravis (MG).

Hauptsymptom – Im Vordergrund steht eine belastungsabhängige Schwäche der rumpfnahen (proximalen) Muskulatur. Begleitend können vegetative Symptome wie z. B. auffällige Mundtrockenheit, Verstopfung und verminderte Schweißbildung auftreten.

Diagnostik – Zur Diagnose genutzt werden: klinische Tests, elektrophysiologische Untersuchungen (EMG), eine Antikörperbestimmung im Labor, sowie eine Bildgebung zur Tumordiagnostik (Thorax-CT/PET-CT).

Behandlung – Abhängig von der LEMS-Vatiante wird eine medikamentöse Therapie, eine Infusionstherapie, sowie ggf. eine Tumortherapie durchgeführt.

Wichtig zu beachten – Bei ca. 1/3 der LEMS-Patienten ist eine Tumorerkrankung Ursache des LEMS.

  • Belastungsabhängige, rumpfnahe und beinbetonte Muskelschwäche
  • Auffällige Mundtrockenheit, Blasenschwäche, Verstopfung, verminderte Schweißbildung, Impotenz
  • Abgeschwächte Muskeleigenreflexe
  • Kurzzeitige Verbesserung der Kraft durch Muskelanspannung

Beim LEMS ist die Impulsübertragung zwischen Nerv und Muskel (Synapse) gestört. Ursache dafür ist ein Autoimmunprozess, der mit der Bildung von Antikörpern die Freisetzung des Botenstoffs Azetylcholin an der Überleitung von Nerv zu Muskel an den spannungsabhängigen Kalziumkanälen vom P/Q-Typ blockiert (präsynaptisch). Die Nervenreize erreichen nur abgeschwächt die Muskulatur, die Kraftentwicklung ist eingeschränkt.

Man unterscheidet zwei Varianten des LEMS:

  • Paraneoplastisch (pLEMS): durch einen Tumor bedingt (ca. 1/3 der Patienten). Das LEMS kann einem Tumor über zwei Jahre vorausgehen. Die Autoimmunreaktion wird hierbei durch den Tumor ausgelöst. Der häufigste zugrunde liegende Tumor ist das kleinzellige Bronchialkarzinom. Die LEMS-Symptomatik erhöht die Chance auf eine frühzeitige Diagnose und Therapie des Tumors!
  • Autoimmun (aiLEMS): ohne beteiligte Tumorerkrankung (ca. 2/3 der Patienten). Sollte zwei Jahre nach Auftreten der LEMS-Symptomatik kein Tumor nachgewiesen werden können, spricht dies für die autoimmun hervorgerufene Variante des LEMS.

Die Fehlfunktion des Immunsystems basiert auf nicht beeinflussbaren Faktoren (Genetik) und beeinflussbaren Faktoren (Rauchen bei pLEMS).

Das LEMS kann in jedem Alter auftreten, selten sogar im Jugendalter. Zwischen 30 und 40 Jahren erkranken mehr Frauen an LEMS, das dann oftmals ohne Tumornachweis verläuft (aiLEMS). Zwischen 60 und 70 Jahren erkranken häufiger Männer an einem durch einen Tumor ausgelösten LEMS (pLEMS). Der Beginn der Erkrankung ist oftmals rasch fortschreitend. Die Symptomatik der raschen Ermüdbarkeit und Schwäche betrifft die Becken- und Oberschenkelmuskulatur (bei 100 % der Betroffenen). Die Gehstrecke kann z. T. unter 100 m liegen, Schwierigkeiten beim Aufstehen aus der Hocke oder Sitzposition und beim Treppensteigen sind charakteristisch. Das Gangbild wird oftmals wie mit „Bleischuhen“ beschrieben, der daraus resultierende „Watschelgang“ kann zu einer erhöhten Stolperneigung führen. Die Oberarmmuskulatur und der Schultergürtel können ebenfalls betroffen sein (bei ca. 80 %), eine Augensymptomatik (Doppelbilder, Herabhängen der Augenlider) kann sich zunehmend entwickeln (bei ca. 25 %). Sollte die Schluck- und Atemmuskulatur betroffen sein, besteht die Gefahr des Verschluckens und einer verminderten Atemfunktion. Begleitend treten oftmals eine auffällige Mundtrockenheit, Blasenschwäche, Verstopfung und verminderte Schweißbildung auf.

Das LEMS ist selten und die Abgrenzung zu anderen neuromuskulären Erkrankungen wie z. B.  Myasthenia gravis, Polyneuropathien und Myopathien in der Diagnosestellung oftmals langwierig. Neben klinischen Tests (z. B. diverse Haltetests, Treppensteigen und Kniebeugen) ist eine elektrophysiologische Untersuchung (EMG) ebenso angesagt wie Laboruntersuchungen zur Antikörperbestimmung (VGCC P/Q-Typ). Mit der Diagnose LEMS gilt es, einen möglichen Tumor mittels einer Computertomographie des Brustkorbs und ggf. einer Ganzkörper-PET-CT nachzuweisen. Darüber hinaus kann der spezielle Antikörpernachweis gegen SOX1 im Blutserum als verlässlicher Hinweis auf ein Tumorgeschehen dienen. Auch der Fragenkatalog der Klassifikation zur Einschätzung eines Tumorwachstums (DELTA-P-Score) nach Alter bei Krankheitsbeginn, Tabakkonsum, Gewichtsverlust, Kau- und Schluckstörungen sowie Impotenz kann bei positiven Mehrfachnennungen ein durchaus aussagekräftiger Hinweis auf ein Tumorgeschehen sein.

Die Therapie ist abhängig von der LEMS-Variante. Bei der Diagnose des pLEMS ist die Tumortherapie/Chemotherapie vorrangig. Daneben kann eine medikamentös symptomatische Therapie mit 3,4 Diaminopyridin (3,4 DAP) hilfreich sein. 3,4 DAP erhöht die Freisetzung des Botenstoffs Acetylcholin an der Überleitung von Nerv zu Muskel und verbessert die Muskelkraft kurzzeitig für einige Stunden. Beim aiLEMS besteht die Therapie aus einer Kombination von 3,4 DAP und Kortikosteroiden, die als körpereigene Hormone die Überaktivität des Immunsystems dämpfen und rasch zu einer Symptomverbesserung führen. Aufgrund der vielfältigen Nebenwirkungen dürfen Kortikoide nicht länger hochdosiert gegeben werden. Deshalb werden sie in einer Kombinationstherapie niedrigdosiert mit einem Immunsuppressivum eingesetzt. Immunsuppressiva können erfolgreich die Neubildung von Antikörpern bremsen. Einer akut krisenhaften Verschlechterung des LEMS, z. B. mit einer verminderten Atemleistung, wird mit intravenösen Immunglobulinen oder Plasmapherese („Blutwäsche“) begegnet und bei Versagen der Standardtherapie kann in Einzelfällen die Behandlung mit monoklonalen Antikörpern angezeigt sein.

 

Die Prognose bei einem pLEMS hängt von der ursächlichen Tumorerkrankung ab. Je früher hier die LEMS-Diagnose gestellt wird, desto schneller kann eine gezielte Therapie eingeleitet werden und den Verlauf des LEMS bessern. Beim aiLEMS ist die Aussicht auf eine deutliche Stabilisierung aufgrund einer erfolgreichen Immuntherapie durchaus gegeben. Dennoch können Tagesschwankungen in der Belastbarkeit erhalten bleiben, die den Lebensalltag nachhaltig prägen und deutliche Einschränkungen der Lebensqualität bedeuten.

Dank der individuell abstimmbaren Therapiemöglichkeiten ist vor allem das aiLEMS heute – mit Ausnahmen – gut medikamentös behandelbar. Dennoch sind Verlaufsschwankungen in den ersten Jahren charakteristisch. Symptomverstärkend wirken sich fieberhafte Infekte und psychische Belastungen aus. Der Alltag sollte auf die Erkrankung abgestimmt werden, d. h., dass die Belastungen auch unter Medikation gut eingeteilt werden sollten. Eine körperliche Überforderung sollte vermieden werden, da eine Erholung in Ruhe beim LEMS im Gegensatz zur Myasthenie seltener zu beobachten ist. Angepasste, leichte sportliche Aktivität ist bei guter medikamentöser Einstellung durchaus möglich, soziale Teilhabe wirkt sich immer positiv auf den Krankheitsverlauf aus.

Autorin: Dr. rer. hum. biol. Bettina Schubert, Deutsche Myasthenie Gesellschaft e.V. (DMG)

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