Hirn- und Sinusvenenthrombose (SVT): Symptome, Ursachen, Behandlung

Auf einen Blick

Hier finden Sie das Wichtigste auf einen Blick. Ausführliche Informationen haben wir weiter unten zusammengestellt.

Häufigkeit – Sie SVT ist eine seltene neurovaskuläre Erkrankung, welche etwa 1 % aller Schlaganfälle ausmacht. Die Zahl der Neuerkrankungen pro Jahr liegt etwa bei 3–5 pro 1 Mio. Einwohner. Frauen sind im Verhältnis 3 : 1 häufiger als Männer betroffen.

Hauptsymptome – Leitsymptom (ca. 80%) ist der Kopfschmerz, dieser ist oft das einzige Symptom. Bei Ödembildung oder Einblutungen im Gehirn kann es zu epileptischen Anfällen, Lähmungen und Gefühlsstörungen sowie Einschränkungen des Gesichtsfelds, Sprachstörungen und Bewusstseinsstörungen kommen.

Diagnostik – Die bildgebende Diagnostik der Wahl ist die Magnetresonanztomographie (MRT) mit zusätzlicher Venendarstellung (Angiographie, MRA), wenn möglich mit Kontrastmittelgabe.

Behandlung – Die umgehende therapeutische Blutverdünnung (Antikoagulation) ist Therapie der Wahl; dies gilt auch bei SVT-bedingten Hirnblutungen. Die Dauer richtet sich u. a. nach einer etwaigen zugrunde liegenden Gerinnungsstörung und beträgt in der Regel sechs Monate.

Wichtig zu beachten – Die SVT ist eine Erkrankung, die häufig bei jüngeren Frauen auftritt und in der Regel gutartig verläuft, d. h. ohne Langzeitkomplikationen. Bei ca. 10 % der Fälle ist jedoch aufgrund von Hirnblutungen eine Therapie auf einer Intensivstation notwendig.

Die Symptome sind an die Lokalisation der SVT und an die Begleitreaktion des Hirnparenchyms gebunden. Kopfschmerzen sind das führende Symptom bei etwa 80% der Patienten; diese können auch nur isoliert als einziges Symptom vorliegen. Generalisierte und/oder fokale epileptische Anfälle sind mit ca. 40% das zweithäufigste Symptom. Umschriebene neurologische Symptome sind meist die Folge eines lokalen Ödems, eines venösen Stauungsinfarkts oder einer Einblutung. Hierzu gehören vor allem Lähmungen, zentrale Gefühlsstörungen, Störungen der Sprache oder des Gesichtsfelds. Orientierungsstörungen oder Störungen der Wachheit sind ebenfalls möglich.

Prinzipiell unterscheidet man infektiöse von nicht infektiösen SVTs, wobei Erstere eher selten zu finden sind. Ursachen hierfür sind meist lokale Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich, Infektionen des Gehirns oder der Hirnhäute sowie Infektionen nach operativen Eingriffen am Gehirn oder Schädel. Die deutlich überwiegender auftretenden nicht infektiösen SVTs entstehen spontan und werden von inneren und äußeren Risikofaktoren begünstigt (siehe nächster Punkt).

Hormone spielen eine große Rolle. So sind das weibliche Geschlecht sowie Schwangerschaft und Wochenbett wichtige Faktoren. Ein hohes Risiko besteht bei Frauen im gebärfähigen Alter unter hormoneller Therapie (Pille), welche zusätzlich adipös sind. Weiterhin sind einige erworbene oder genetische Gerinnungsstörungen sowie Tumorleiden begünstigende Erkrankungen. Weitere Risikofaktoren sind Rauchen, Hormonpräparate (Östrogen- und Gestagenpräparate, Androgene sowie Steroide) und einige Chemotherapeutika. Aber auch ein schwerer Wassermangel (Exsikkose) kann manchmal das Auftreten einer SVT begünstigen. Demnach kann der Verzicht auf das Rauchen und auf nicht medizinisch notwendige Hormonpräparate das Risiko für eine SVT mindern.

Meist besteht ein schleichender Beginn mit langsam über Tage zunehmenden Kopfschmerzen; nur wenige Patienten beschreiben einen schlagartigen Beginn der Symptome. Letztendlich ist das Ausmaß weiterer Symptome und auch der Folgebehinderung an das Vorliegen von Komplikationen wie Stauungsischämien, Stauungsblutungen und des Hirnödems gebunden. Ein erneutes Auftreten kommt selten vor.

Bildgebende Diagnostik der Wahl ist die Magnetresonanztomographie (MRT) mit zusätzlicher Angiographie (MRA). Die MRA sollte wenn möglich nach Kontrastmittelgabe erfolgen, bei schwangeren Patientinnen oder bei Patienten mit Kontrastmittelunverträglichkeit kann alternativ eine nicht kontrastmittelabhängige venöse Angiographie durchgeführt werden. Bei Verdacht auf SVT kann ein Bluttest auf den Thrombosemarker „D-Dimere“ erfolgen. Dieser Test ist in der Regel sehr zuverlässig, ersetzt die Bildgebung aber nicht und kann falsch negativ sein, z. B. bei langen Verläufen und bei geringen Symptomen, sowie falsch positiv, z. B. bei Schwangerschaft und Infektionen. Im Verlauf können weitere Untersuchungen zum Nachweis etwaiger Gerinnungsstörungen oder eines Tumorleidens erfolgen.

Zumindest initial sollten alle Patienten auf einer Stroke Unit, Überwachungsstation oder ggf. Intensivstation aufgenommen werden. Therapie der Wahl bei der SVT ist die umgehende Antikoagulation (Blutgerinnungshemmung) mit Heparinen nach Diagnosesicherung. Diese Empfehlung gilt ausdrücklich auch für Patienten mit Stauungsblutungen. Nach einigen Tagen Heparintherapie, bei Eintreten von stabilen Verhältnissen, wird die orale Antikoagulation mit Phenprocoumon unter Gerinnungsmonitoring empfohlen. Die Dauer richtet sich nach dem mutmaßlichen Wiederholungsrisiko und beträgt mindestens 3 Monate, in der Regel eher 6 Monate, und kann unter Umständen lebenslang empfohlen werden, wenn eine Gerinnungsstörung mit hohem Thromboserisiko vorliegt (z. B. homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation, sehr selten). In der klinischen Praxis werden mittlerweile auch direkte orale Antikoagulanzien im individuellen Heilversuch bzw. als sog. Off-label-Therapie erfolgreich eingesetzt, nachdem einige Studienergebnisse ein der etablierten Therapie vergleichbares Nutzen-Risiko-Profil ergaben.

Bei einer SVT in der Schwangerschaft eignet sich am besten die Behandlung mit niedermolekularen Heparinen. Eine Spontangeburt wird nicht empfohlen. Die Pausierung der Therapie zur Sectio sollte eng mit den behandelnden Geburtsmedizinern abgesprochen werden. Bei epileptischen Anfällen werden Antiepileptika eingesetzt, welche jedoch nicht immer dauerhaft verabreicht werden müssen.

Bei den seltenen infektös bedingten SVTs ist eine antibiotische Therapie notwendig und wenn möglich eine operative Sanierung eines Infektfokus. Der Umfang und die Dauer der Antikoagulation sind hierbei umstritten.

Bei komplizierten und schweren Verläufen kann in spezialisierten Zentren z. B. eine katheterbasierte Rekanalisation des thrombosierten Gefäßes versucht werden oder eine operative Entlastung des Hirndrucks notwendig werden. Bei bleibenden neurologischen Defiziten im Verlauf ist eine stationäre oder ambulante Rehabilitation notwendig.

Die SVT ist eine akute Erkrankung und keine chronische, d. h., eine vollständige Heilung ist möglich. Die Prognose der SVT ist generell gut; ca. drei Viertel der Patienten werden wieder nahezu oder komplett beschwerdefrei. Patienten mit lediglich Kopfschmerzen als Symptom erholen sich in der Regel komplett. Einen intensivpflichtigen Verlauf erleiden nur max. 10–20 % aller SVT-Patienten und die Langzeit-Sterberate liegt bei maximal 10 %. Selbst schwerwiegende initiale neurologische Defizite können sich erstaunlich gut zurückbilden. Bei manchen Patienten verbleibt jedoch ein chronischer Kopfschmerz.

Die Einschränkung im Alltag hängt von der Folgebehinderung ab und diese wiederum von den Komplikationen der SVT. Für Frauen im gebärfähigen Alter unter therapeutischer Antikoagulation ist eine Verhütung für die Dauer der Therapie zwingend erforderlich. Im Anschluss sollten Risikofaktoren wie die „Pille“ gemieden werden. Eine weitere Reduktion der genannten Risikofaktoren ist sinnvoll. Zur Wiederholungsprophylaxe in der Schwangerschaft und im Wochenbett wird eine Behandlung mit niedermolekularem Heparin in prophylaktischer Dosis bis zu 6 Wochen nach Geburt empfohlen. Ein stark erhöhtes Risiko, ein Rezidiv bei einer nächsten Schwangerschaft zu erleiden, besteht jedoch nicht.

Autor: Prof. Dr. med. Simon Nagel, Geschäftsführender Oberarzt, Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg

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