Zur schnellen Erkennung eines Schlaganfalls hat sich auch bei uns der FAST-Test fest etabliert: FAST steht für Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache) und Time (Zeit). Wenn also ein Mundwinkel herabhängt und das Gesicht beim Lächeln asymmetrisch wirkt, der/die Betroffene nicht in der Lage ist, die Arme nach vorn zu strecken und die Handflächen nach oben zu drehen, wenn der-/diejenige sich gar nicht mehr äußern kann oder die Sprache „verwaschen“ klingt, muss so schnell wie möglich der Notruf gewählt werden. Auch schwere Kopfschmerzen, Koordinations- und Gangstörungen treten oft bei einem Schlaganfall auf.
Bei Frauen mehr „diffuse“ Symptome
Frauen haben aber oft noch weitere Symptome und diese können die anderen, „typischen“ Anzeichen überlagern. Dazu zählen Übelkeit, Bewusstlosigkeit, Schwindel und Verwirrtheit [1]. Das Tückische: Leidet die Betroffene unter anderen Erkrankungen, die auch diese Symptome auslösen können und sind die „eigentlichen“ Schlaganfall-Symptome nicht so stark ausgeprägt, erschwert das die richtige Diagnose. Ein Beispiel ist die Migräne. Bei Übelkeit und Schmerzen ist ein Migräneanfall zunächst näherliegend als ein Schlaganfall, der dann übersehen werden kann. „Migränepatientinnen sollten sehr achtsam sein und bei einem akuten Anfall immer auch den FAST-Test durchführen, um mögliche Schlaganfall-Symptome früh zu erkennen, auch wenn sie gering ausgeprägt sind“, erklärt Prof. Dr. Götz Thomalla, Hamburg, Schlaganfallexperte und Fachbeirat der Deutschen Hirnstiftung. Das sei besonders wichtig, da eine Migräne mit Aura mit einem erhöhten Risiko für ischämische Schlaganfälle einhergehe [2], diese Patientinnen also schlaganfallgefährdeter als andere sind.
Neglect und Blickabweichung sind starke Prädiktoren für einen Schlaganfall bei Frauen
Eine aktuelle Studie aus Essen [3] bestätigt die Unterschiede bei Schlaganfallsymptomen zwischen Frauen und Männern: 6.069 Patientinnen und Patienten wurden in die Analyse einbezogen. Aphasie, Neglect (Sinneseindrücke werden von einer Körperhälfte nicht wahrgenommen, obwohl die Sinnesorgane funktionieren), Blickabweichung sowie sogenannte nicht-fokale Symptome einschließlich Bewusstseinseinschränkungen, Orientierungsprobleme und Schwierigkeiten beim Erledigen einer Aufgabe waren bei Frauen signifikant häufiger, eine Koordinationsstörung der Gliedmaßen sowie Sprechstörungen traten bei Frauen hingegen deutlich seltener auf. „Insbesondere Neglect und Blickabweichung waren starke Prädiktoren, treten sie auf, muss ein Schlaganfall abgeklärt werden“, so Prof. Thomalla.
Mehr kardioembolische Schlaganfälle bei Frauen
Die unterschiedliche Symptomatik könnte auch Ausdruck „unterschiedlicher Schlaganfälle“ bei Frauen und Männern sein. Wie eine deutsche Studie aus dem März dieses Jahres [4] zeigte, an der auch Prof. Thomalla mitgearbeitet hat, waren bei Frauen, die mittels Thrombektomie behandelt wurden, sogenannte kardioembolische Schlaganfälle häufiger als bei Männern. Diese entstehen dadurch, dass sich ein Blutgerinnsel im Herzen bildet, das dann mit dem Blutfluss in das Gehirn geleitet wird und dort plötzlich ein Gefäß verstopft. Weniger häufig waren sogenannte lakuniäre Schlaganfälle, die durch chronischen Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Rauchen oder eine ungesunde Ernährung begünstigt werden. „Wie unsere Auswertung des Deutschen Schlaganfallregisters auch zeigte, wiesen Frauen unmittelbar nach der Thrombektomie, der operativen Entfernung des Blutgerinnsels, zunächst ein besseres Therapieergebnis als Männer auf, langfristig jedoch nicht. Das gibt Anlass, mögliche geschlechtsspezifische Unterschiede in der Pathophysiologie des Krankheitsbilds zu vermuten, welche weiter erforscht werden müssen“, so der Hamburger Schlaganfall-Experte.
Wie Prof. Thomalla jedoch betont, sollten Frauen über das Risiko für kardioembolische Schlaganfälle und deren Prävention informiert werden. Eine häufige Ursache ist das Vorhofflimmern, das medikamentös behandelt werden kann und muss. Vor gut zehn Jahren machte die Deutschen Gesellschaft für Kardiologie darauf aufmerksam, dass Frauen weniger häufig eine leitliniengerechte Therapie erhalten [5]. „Möglicherweise besteht dieses Defizit noch heute bzw. wirkt nach, denn kardioembolische Schlaganfälle sind eine Spätfolge von Vorhofflimmern.“
Quellen
[1] American Heart Association. https://www.heart.org/en/news/2024/05/22/7-things-to-know-about-howstroke-is-different-for-women
[2] Mahmoud AN et al. Migraine and the risk of cardiovascular and cerebrovascular events: a metaanalysis of 16 cohort studies including 1 152 407 subjects. BMJ Open 2018; 8: e020498.
[3] Kühne Escolà J et al. Sex Differences in Clinical Presentation of Women and Men Evaluated at a Comprehensive Stroke Center for Suspected Stroke. Cerebrovasc Dis Extra. 2025;15(1):110-117.
[4] Single C et al. Sex-Related Differences in Outcomes of Endovascular Treatment in Large Vessel Occlusion Stroke-Analyses From the German Stroke Registry-Endovascular Treatment. Eur J Neurol. 2025 Mar;32(3):e70092.
[5] Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. https://nachrichten.idw-online.de/2013/09/03/vorhofflimmern-frauen-werden-unterbehandelt
