Erster Antikörper gegen Alzheimer zugelassen – doch für wen kommt die Therapie überhaupt in Frage?

Pressemitteilung

Gestern hat das CHMP-Komitee der EMA die Zulassung von Lecanemab, eines Antikörpers gegen Alzheimer empfohlen. Das Medikament kann das Fortschreiten der AlzheimerErkrankung um etwa 30 % verlangsamen. Doch die Therapie kommt nicht für jede Demenzpatientin/jeden Demenzpatienten in Frage. Die Deutsche Hirnstiftung erklärt, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit Betroffene die Therapie erhalten können.

Die Therapie hilft nur bei der Alzheimer-Demenz – Jährlich erkranken etwa 400.000 Menschen in Deutschland an einer Demenz. Ein Großteil der Fälle, etwa Zweidrittel, ist auf die Alzheimer-Erkrankung zurückzuführen, das andere Drittel hat andere Ursachen. Viele Menschen setzen Demenz und Alzheimer gleich, doch die Demenz ist ein Überbegriff und beschreibt nur das Symptom, also den Zustand der kognitiven Beeinträchtigung, Vergesslich- und Verwirrtheit, und das kann viele verschiedene Ursachen haben; Alzheimer ist die häufigste von vielen Demenz-auslösenden Krankheiten. „Wichtig ist zu wissen, dass die neuen Antikörpertherapien das Fortschreiten der Demenz nur bei der Alzheimer-Erkrankung verlangsamen kann, nicht das Fortschreiten von Demenzen anderer Ursache“, erklärt der Präsident der Deutschen Hirnstiftung, Prof. Dr. Frank Erbguth. Um Lecanemab zu verschreiben, muss also ein bestätigte AlzheimerDiagnose mit Nachweis einer sog. Amyloid-Pathologie vorliegen.

Die Therapie ist nur in den Frühstadien der Alzheimer-Erkrankung zugelassen

Eine weitere Hürde ist, dass der Alzheimer-Antikörper nur für die frühen Erkrankungsstadien zugelassen werden wird, also nur dann, wenn noch eine milde kognitive Einschränkung oder leichte Demenz vorliegt.

Bestimmte Vorerkrankungen/-behandlungen stellen eine Kontraindikation dar

Doch selbst, wenn eine bestätige Alzheimer-Erkrankung im Frühstadium vorliegt, kann es sein, dass die Therapie dennoch nicht in Frage kommt. Amyloid-Antikörper, zu denen Lecanemab gehört, können zu radiologisch erfassbaren Hirnveränderungen („Amyloid-related Imaging Abnormality“, kurz ARIA führen) führen, darunter Schwellungen und Blutungen des Gehirns. Daher müssen alle Patientinnen und Patienten vor Beginn und während der Therapie eine MRT-Bildgebung erhalten, um mögliche Risiken abschätzen und ARIAs bestimmen zu können. Meistens bleiben die ARIAS ohne Symptome und sind ungefährlich. Wenn aber Betroffene blutverdünnende Medikamente einnehmen müssen, z. B. wegen eines erhöhten Schlaganfallrisikos oder weil sie bereits einen Schlaganfall erlitten haben, kann die Antikörpergabe das Risiko für gefährliche Hirnblutungen erhöhen. Deshalb lautet die Empfehlung des CHMP-Komitees der EMA, Lecanemab nicht für Menschen zuzulassen, die eine blutverdünnende Therapie (Antikoagulation) einnehmen. „Rund eine Million Menschen in Deutschland nehmen regelmäßig Blutverdünner ein, die meisten von ihnen sind älter“, erklärt die Präsidentin der Deutschen Hirnstiftung und Alzheimer-Expertin Prof. Dr. Kathrin Reetz. „Es liegt also auf der Hand, dass viele Alzheimer-Betroffene die neue Therapie aus Sicherheitsgründen nicht erhalten dürfen.“ Das gilt auch für Menschen, bei denen das Alzheimer-Risikogen Apolipoprotein E4, kurz ApoE4, in zwei gleichen Kopien vorliegt, sogenannte homozygote ApoE4-Träger. Auch sie haben ein Risiko für ARIAs unter der Therapie und dürfen die Lecanemab-Infusion daher nicht bekommen. „Vor Therapiebeginn mit dem Alzheimer-Antikörper müssen daher die Patientinnen und Patienten einen Bluttest zur Testung von ApoE4 durchführen lassen,“ erklärt die Expertin. Der Anteil der Menschen, bei denen das ApoE4-Gen homozygot vorliegt, ist regional unterschiedlich und wird auf 2–3 % geschätzt [2, 3].

„Die Patientinnen und Patienten, die Lecanemab erhalten, sollen in ein Register eingeschlossen werden, um den weiteren Verlauf und Langzeitwirkungen des neuen Medikaments zu verfolgen“, erklärt Prof. Kathrin Reetz.

Quellen

[1] Leqembi recommended for treatment of early Alzheimer’s disease. 14 November 2024. https://www.ema.europa.eu/en/news/leqembi-recommended-treatment-early-alzheimers-disease
[2] Ward, A. et al. Prevalence of Apolipoprotein E4 Genotype and Homozygotes (APOE e4/4) among Patients Diagnosed with Alzheimer’s Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis. Neuroepidemiology 38, 1–17 (2012).
[3] McKay GJ, Silvestri G, Chakravarthy U, Dasari S, Fritsche LG, Weber BH, Keilhauer CN, Klein ML, Francis PJ, Klaver CC, Vingerling JR, Ho L, De Jong PT, Dean M, Sawitzke J, Baird PN, Guymer RH, Stambolian D, Orlin A, Seddon JM, Peter I, Wright AF, Hayward C, Lotery AJ, Ennis S, Gorin MB, Weeks DE, Kuo CL, Hingorani AD, Sofat R, Cipriani V, Swaroop A, Othman M, Kanda A, Chen W, Abecasis GR, Yates JR, Webster AR, Moore AT, Seland JH, Rahu M, Soubrane G, Tomazzoli L, Topouzis F, Vioque J, Young IS, Fletcher AE, Patterson CC. Variations in apolipoprotein E frequency with age in a pooled analysis of a large group of older people. Am J Epidemiol. 2011 Jun 15;173(12):1357-64. doi: 10.1093/aje/kwr015. Epub 2011 Apr 15. PMID: 21498624; PMCID: PMC3145394.

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