Funktioneller Schwindel
Typisches Anzeichen ist anhaltender Dreh- oder Schwankschwindel, oft verbunden mit Unsicherheit beim Gehen. Die Beschwerden lassen sich meist mit gezielten Übungen und therapeutischer Unterstützung gut behandeln.
Autor: Dr. Matthias Hoheisel, AOK Institut für psychogene Erkrankungen Berlin & PD Dr. Stoyan Popkirov, Uniklinik Essen
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Häufige Fragen
Was ist funktioneller Schwindel?
Funktioneller Schwindel ist eine chronische Schwindelerkrankung, die nicht auf eine klare organische Ursache zurückzuführen ist, sondern oft mit psychischen Faktoren wie Angst, Stress oder Traumata zusammenhängt. Wie äußert sich funktioneller Schwindel. Mehr erfahren
Was kann man selbst gegen funktionellen Schwindel tun?
Betroffene können versuchen, Stress zu reduzieren, regelmäßige Bewegung in ihren Alltag zu integrieren, eine ausgewogene Ernährung einzuhalten und Entspannungstechniken zu erlernen.
Obwohl funktioneller Schwindel chronisch sein kann, ist eine Verbesserung der Symptome und eine Reduktion der Beeinträchtigung durch verschiedene Therapieansätze möglich. Mehr erfahren
Gibt es einen Zusammenhang zwischen funktionellem Schwindel und Angststörungen?
Ja, funktioneller Schwindel wird oft von Angststörungen begleitet oder durch sie ausgelöst, und eine Behandlung von Angst kann sich positiv auf den Schwindel auswirken. Mehr erfahren
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Symptome
Typisch ist das Gefühl, unsicher auf den Beinen zu sein oder gleich umzukippen.
Funktionelle Schwindelsyndrome äußern sich häufig durch die Wahrnehmung einer „Unsicherheit auf den Beinen“. Menschen haben das Gefühl „zu einer Seite zu kippen“ oder „den Boden unter den Füßen zu verlieren“. Oft ist dabei ein wankender Gang zu beobachten.
Der Schwindel kann auch mit Herzklopfen oder Brustenge, Zittern, Muskelverspannungen und weiteren Beschwerden einhergehen. Gehäuft beschreiben Betroffene auch Gefühle der allgemeinen Verunsicherung, der Hilflosigkeit und des Kontrollverlusts.
Die Aufmerksamkeit für die körperlichen Symptome ist dabei hoch. Spezifische Auslösesituationen und nicht selten auch eine Vielzahl von Alltagsaktivitäten werden vermieden.
Alternative Bezeichnungen für den funktionellen Schwindel sind phobischer Schwankschwindel, somatoformer Schwindel oder PPPD (engl. persistent postural-perceptual dizziness).

Ursachen
Häufig beginnen die Beschwerden nach einer Erkrankung des Gleichgewichtsorgans oder großer seelischer Belastung.
Akute und chronische Erkrankungen, die mit einer Störung des Gleichgewichtssystems einhergehen, stehen oft am Beginn der Entwicklung von funktionellem Schwindel.
Der Schwindel selbst kann zudem eine Ursache, Folge oder Komplikation von körperlich definierten Erkrankungen der Gleichgewichtsorgane sowie beteiligter Hirnstrukturen sein.
Besonders hoch ist die Gefahr, einen funktionellen Schwindel zu entwickeln bei plötzlichem Auftreten oder nicht abschließender diagnostischer Einordnung von Schwindelsymptomen. Die resultierende Verunsicherung befördert die Entstehung und die Aufrechterhaltung der Symptome.
Risikofaktoren
Angsterkrankungen, Depressionen und starkes Kontrollbedürfnis können die Beschwerden verstärken.
Wichtige Risikofaktoren für die Entwicklung eines funktionellen Schwindels sind:
- vorbestehende oder akute Erkrankungen des Gleichgewichtssystems, insbesondere eine Schwindelmigräne (vestibuläre Migräne)
- bekannte Angsterkrankungen und Depressionen
- die körpernahe Wahrnehmung von Gefühlen und hohe Aufmerksamkeit für Körpersymptome
- ein vermehrtes Bedürfnis nach Kontrolle
- die Einnahme von Pharmaka oder Drogen, die zu Schwindel führen oder die Anpassung an Gleichgewichtsstörungen verhindern

Verlauf
Ohne Behandlung bleiben die Symptome oft bestehen und können sich sogar ausweiten.
Wenn Symptome länger als drei Monate andauern, kommt es im Verlauf der Erkrankung nur bei einem geringen Teil der Betroffenen zu einer spontanen Besserung.
Es kann sogar eine Verschlimmerung beobachtet werden, wenn anfänglich spezifische Auslösesituationen vermieden werden und sich dies im Verlauf auf eine Vielzahl von Alltagsaktivitäten ausweitet. Gelegentlich können erschwerend andere, körperlich definierte Schwindelerkrankungen den Verlauf erschweren.
Mit der Einleitung einer spezifischen Therapie, die individuelle Faktoren der Entstehung sowie die Exposition, d. h. Konfrontation mit den vermiedenen Reizen, berücksichtigt, erreicht jedoch die Mehrzahl der Betroffenen eine erhebliche Verbesserung.
Diagnose
Für die Diagnose sollten eine körperliche und psychische Untersuchung kombiniert werden.
Die diagnostischen Hinweise für das Vorliegen eines funktionellen Schwindelsyndroms ergeben sich aus der körperlichen und psychischen Untersuchung. Durch eine Kombination kann hier eine hohe Sicherheit in der Diagnosefindung erreicht werden.
Untersucht wird das Gleichgewichtssystem, was die Prüfung des Vestibularorgans im Innenohr, die Testung der sensiblen Wahrnehmung am Körper und die Überprüfung des Sehens beinhaltet.
Ein psychischer Befund sollte gleichberechtigt erhoben werden. Eine ausschließlich an den Körpersymptomen orientierte Diagnostik ist genauso wenig zielführend wie eine rein psychosomatisch-psychiatrisch orientierte Anamneseerhebung, um diagnostische Klarheit über den Entstehungszusammenhang der Symptome zu gewinnen.

Therapie und Behandlung
Verschiedene Therapiemethoden helfen, den Schwindel Schritt für Schritt zu überwinden.
Die Therapie kann durch spezielle Physiotherapie, Psychotherapie oder eine Kombination beider Ansätze erfolgen. Dabei stellt die Überwindung des Vermeidungsverhaltens ein übergreifendes Therapieziel dar.
- Im Bereich der Physiotherapie wird die Anpassung durch ein Gleichgewichtstraining („vestibuläre Rehabilitation“) gefördert.
- Psychotherapeutisch stehen zunächst die Aufklärung über das Erkrankungsbild und die individuelle Förderung der Überwindung von Ängsten im Vordergrund.
- Die gezielte und geleitete Exposition bzw. Konfrontation mit auslösenden Bedingungen ist ein wichtiger Baustein der weiteren Behandlung. Wenn zeitgleich eine depressive Störung oder Angsterkrankung vorliegt, kann eine Therapie mit Antidepressiva den Schwindel positiv beeinflussen.
- Sogenannte Schwindel-Medikamente können dem Adaptationsprozess und somit der Symptomlinderung im Wege stehen und sollten vermieden werden.
Aussicht auf Heilung
Bei meisten Betroffenen bessert sich der Schwindel durch eine Behandlung deutlich.
Mit einer spezifischen Therapie bestehen gute Aussichten auf eine Besserung der Symptomatik. Eine Langzeitstudie belegt diese bei drei Viertel aller Betroffenen, wobei ein vollständiges Verschwinden bei ca. einem Viertel beobachtet werden konnte.
Je frühzeitiger die Diagnostik und eine spezifische Therapie eingeleitet werden, desto größer sind die Heilungschancen. Ohne Therapie kann bei längerer Symptomdauer nicht selten auch eine Ausweitung des Vermeidungsverhaltens beobachtet werden.
Langfristige und ausgeprägte Verlaufsformen machen intensive Behandlungsprogramme in speziellen Rehabilitationskliniken erforderlich. Eine besondere Berücksichtigung muss dabei auch die Behandlung fortbestehender weiterer Erkrankungen finden.

Alltag
Im Alltag ist es wichtig, aktiv zu bleiben und Rückzug möglichst zu vermeiden, um den Schwindel nicht weiter zu verstärken.
Einige Betroffene erleben die Symptome als einen Störfaktor, können ihren Alltagsbeschäftigungen aber weitgehend nachgehen.
Andere erleben den Schwindel jedoch als erhebliche Einschränkung im beruflichen wie privaten Leben, sodass sie sich zunehmend von Aktivitäten zurückziehen. Hier ist eine frühzeitige ärztliche Vorstellung anzuraten.
Der Umgang mit den Symptomen sollte dabei immer aktivierend zu einer Überwindung von Rückzugstendenzen beitragen, um einer Verstärkung der Symptome und der psychosozialen Folgen entgegenzuwirken.
Gegebenenfalls kann im Rahmen einer spezifischen Behandlung das Ziel daher auch in einer Integration fortbestehender Symptome in das Alltagsleben bestehen.
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Zusammenfassung
Häufigkeit – Funktioneller Schwindel kommt verglichen mit den anderen Schwindelsyndromen am häufigsten vor.
Hauptsymptome – Funktionelle Schwindelsyndrome äußern sich häufig durch die Wahrnehmung einer „Unsicherheit auf den Beinen“ (z. B. das Gefühl, umzukippen oder keinen festen Boden mehr zu spüren)
Diagnostik – Die diagnostischen Hinweise für das Vorliegen eines funktionellen Schwindelsyndroms ergeben sich aus der körperlichen (z. B. Gleichgewichtssystem) und psychischen Untersuchung.
Behandlung – Die Therapie kann durch spezielle Physiotherapie, Psychotherapie oder eine Kombination beider Ansätze erfolgen. Dabei stellt die Überwindung des Vermeidungsverhaltens ein übergreifendes Therapieziel dar.
Wichtig zu beachten – Sogenannte Schwindel-Medikamente können dem Adaptationsprozess und somit der Symptomlinderung im Wege stehen und sollten vermieden werden.
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