Unser Gehirn braucht Zucker, um zu funktionieren. Doch zu viel davon befeuert auf Dauer die Entstehung von neurologischen Krankheiten. Mehr dazu erfahren Sie hier im Podcast mit Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, und einem ergänzenden Beitrag.
📻 Podcast „Süße Verführung, bittere Folgen: Zucker und das Gehirn“
Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung, im Podcast „O-Ton Allgemeinmedizin“ der Medical Tribune Deutschland
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Was macht Zucker im Gehirn? Zum einen schädigen hohe Blutzuckerspiegel die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden. Diese verengen die Gefäße und drosseln die Blutzufuhr und damit die Versorgung der Gehirnzellen mit Nährstoffen.
Das kann zu verschiedenen Einschränkungen führen – je nachdem, welcher Teil des Gehirns unterversorgt ist – und am Ende sogar eine gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz nach sich ziehen. Diese ist nach Alzheimer die häufigste Ursache einer Demenz.
In Deutschland erkranken jährlich etwa 250.000 Menschen an einer Demenz, davon 15 bis 25 Prozent an einer gefäßbedingten Demenz [1]. Das sind zwischen 40.000 und 60.000 Neuerkrankte pro Jahr.
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Zu viel Zucker beeinträchtigt womöglich auch die geistige Leistungsfähigkeit
Hinzu kommt, dass komplexe Zuckermoleküle im Gehirn, sogenannte Glykosaminoglykane, womöglich auch direkt die geistige Leistung einschränken können. Neue Daten deuten darauf, dass sie die Funktion der Synapsen, den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen und somit die neuronale Plastizität beeinträchtigen. Das ist die Fähigkeit von Nervenzellen und Gehirnarealen, sich anzupassen und bei Bedarf zu erweitern. Dies ist eine wichtige Eigenschaft für die geistige Entwicklung und das Lernen [2].
Bereits vor 20 Jahren hatte eine Studie darauf hingedeutet, dass eine fett- und zuckerreiche Kost die neuronale Plastizität stört [3]. Langfristig beeinträchtigte das auch die Funktion unseres Gedächtnisareals im Gehirn, den Hippocampus. Eine große aktuelle Studie kommt zu ähnlichen Erkenntnissen [4].
Zu viel Zucker fördert Diabetes und so Demenz
Außerdem gibt es eine indirekte hirnschädigende Wirkung von zu hohem Zuckerkonsum auf das Gehirn über einen Diabetes mellitus. Seit den 90er Jahren ist bekannt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko aufweisen. Man nimmt an, dass der Glukose-Stoffwechsel auch in den Neuronen gestört sein und so zur Entstehung der Alzheimer-Erkrankung beitragen könnte [5]. Glukose, auch Traubenzucker genannt, ist die häufigste Zuckerform und eine wichtige Energiequelle für den Menschen.
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Warum es uns so schwerfällt, auf Zucker zu verzichten
Ein bewusster, möglichst geringer Zuckerkonsum ist daher ratsam. Leider fällt das vielen Menschen schwer – und die Gründe dafür sind ebenfalls im Gehirn zu verorten. So konnte man nachweisen, dass schon nach einer kleinen Menge Zucker der Darm Signale an das Gehirn sendet, um dort ein starkes Verlangen nach mehr Zucker auszulösen [6].
Dem Zucker-Teufelskreis entgehen
„Das könnte der Grund dafür sein, dass manche Menschen nach einem Stück Schokolade schnell mal die ganze Tafel aufgegessen haben“, sagt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung. „Außerdem wird bei Zuckerkonsum im Gehirn Dopamin ausgeschüttet, ein Wohlfühlhormon, was dazu führt, dass man immer mehr davon haben möchte.
„Es ist sinnvoll, durch weitgehenden Verzicht auf Zucker diesem Teufelskreis zu entgehen“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). „Die Anstrengung lohnt sich. Allein 40 Prozent aller Demenzfälle und 90 Prozent aller Schlaganfälle sind vermeidbar und viele von ihnen gehen auf das Konto von Industriezucker.“
Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke sinnvoll
Hirnstiftung und DGN unterstützen daher die politische Forderung, Steuer auf besonders zuckerhaltige Getränke zu erheben. Der deutsche Zuckerverbrauch lag 2021/22 bei über 33 Kilogramm pro Kopf – und war damit fast doppelt so hoch wie empfohlen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) spricht sich dafür aus, dass maximal zehn Prozent der Energie aus Zucker stammen sollte [7].
Bei einem durchschnittlichen Kalorienbedarf pro Tag von 2.000 Kilokalorien entspricht dieser Wert 50 Gramm pro Tag, also 18 kg im Jahr. Dazu zählt nicht nur der zugesetzte Zucker, sondern auch der natürlich enthaltene, wie etwa in Früchten, Honig oder Säften. Doch auch viele andere Lebensmittel enthalten versteckten Zucker, wie Joghurts oder Tomatenketchup. Alkohol lässt den Blutzuckerspiegel ebenfalls stark ansteigen.