Im Nervensystem liegt keine Schädigung vor, trotzdem leiden Betroffene an neurologischen Symptomen wie Schwindel, Lähmungen, Gefühls- und Bewegungsstörungen. Die genaue Ursache der Funktionsstörung kann unklar bleiben, es gibt aber Behandlungsansätze. In unserem Video und Beitrag erfahren Sie unten das Wichtigste.
Was diese Redewendung bedeutet, hat wohl jeder Mensch schon erfahren. Sie zeigt, wie eng Körper und Seele zusammenhängen. Entsprechend schwer kann man die Ursache vieler Erkrankungen abgrenzen. Sie sind weder eindeutig organisch noch klar psychisch bedingt. Fachleute nennen das eine funktionelle Störung.
Die möglichen Symptome reichen von leichten vorübergehenden Beschwerden wie Taubheitsgefühlen bis hin zu langanhaltenden schweren Einschränkungen, etwa Krampfanfällen.
In neurologischen Praxen und Kliniken machen funktionelle Störungen 5 bis 10 Prozent der Fälle aus. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung sind wichtig, denn sonst werden die Symptome oft chronisch.
„Programmfehler“ mit Alarmfunktion
Doch nicht selten machen Betroffene eine „Arztbesuch-Odyssee“ durch, weil sich die Beschwerden nicht zuordnen lassen. Die Ursache ist eine Fehlregulation der normalen Körperempfindungen und ihrer Verarbeitung im Gehirn.
Neurologisch erkrankt? Wir beraten Sie: ☎️ 030 531437936 (Mo 14-18, Mi 10-14 Uhr, kostenfrei) oder online.
Es kommt zu einer Art „Programmfehler“ mit Alarmfunktion. Die „Hardware“ des Gehirns und der betroffenen Organe ist jedoch intakt. Daher sind die Ergebnisse der technischen Messungen unauffällig.
Hingegen können in der körperlichen Untersuchung oft charakteristische Hinweise auf solche „Programmfehler“ festgestellt werden.
Funktioneller Schwindel
Eine häufige funktionelle Störung ist Schwindel. Er entwickelt sich meistens nach einer akuten Gleichgewichtsstörung, wie dem sogenannten Lagerungsschwindel oder einer Schwindelmigräne.
Selbst wenn diese Krankheiten erfolgreich behandelt wurden, bleibt manchmal eine anhaltende Fehlsteuerung des Gleichgewichts dauerhaft bestehen.
Weitere mögliche Ursachen
Seltener kann funktioneller Schwindel auch ohne erkennbaren Auslöser auftreten, besonders bei Menschen mit Angsterkrankungen oder Depressionen. Eine charakteristische Benommenheit kann auch im Rahmen von Überforderung oder subjektiver Reizüberflutung auftreten.
Gleichgewichtstraining und Verhaltenstherapie können helfen
Häufig von funktionellem Schwindel betroffen sind Personen, die sehr empfindlich für Körpersymptome sind oder Gefühle stark körperlich wahrnehmen.
Um funktionellen Schwindel zu reduzieren, kann nach einer akuten Gleichgewichtsstörung der Gleichgewichtsinn trainiert werden (vestibuläre Physiotherapie).
Immer wieder Neues zu neurologischen Krankheiten erfahren? Abonnieren Sie unseren 📧Newsletter
Auch eine Verhaltenstherapie kann helfen, zum Beispiel durch geleitetes Konfrontationstraining. Dabei setzt man sich gezielt Situationen aus, in denen der Schwindel verstärkt auftritt, etwa im Supermarkt.
Das soll das alarmierte Nervensystem desensibilisieren und unterstützt dabei, sich nicht aus dem alltäglichen Leben zurückzuziehen, was die Symptome nur verschlimmern würde.
Funktionelle Lähmungen und Gefühlsstörungen
Funktionelle Lähmungen können leicht ausgeprägt sein und sich etwa im gelegentlichen Fallenlassen von Gegenständen zeigen. Es kommt aber auch zu schweren Symptomen, wie zum Beispiel eine komplexe Gangstörung.
Kombiniert mit den Lähmungen, können Gefühlsstörungen auftreten. Diese gibt es zudem als eigenständiges Symptom. Typisch dafür ist eine kribbelnde, überempfindliche oder taube Haut.
Mögliche Auslöser
Oft gehen funktionellen Lähmungen und Gefühlsstörungen Verletzungen oder Fehlbelastungen voraus, gelegentlich auch Migräne-Anfälle oder medizinische Eingriffe.
Auslöser können zudem Schmerzen sowie Angst- und Bedrohungsgefühle sein. Sie führen mitunter dazu, dass Reaktionen des Körpers darauf unbewusst in Dauerzustände übergehen. Das können etwa eine Schonhaltung, Bewegungsvermeidung und gesteigerte Empfindlichkeit sein.
Funktionelle Bewegungsstörungen
Funktionelle Bewegungsstörungen wiederum umfassen vorwiegend Zittern (Tremor), Muskelverkrampfungen und -zuckungen sowie Probleme beim Gehen.
Sie entwickeln sich zum Beispiel nach einer Verletzung, die ein Hinken nach sich zog, oder durch ein einschneidendes Erlebnis, das zu Angstzittern führte. Hier können die neuen Bewegungsmuster dauerhaft werden.
Therapie durch Aufmerksamkeitstraining
Ziel der Behandlung von funktionellen Lähmungen, Gefühls- und Bewegungsstörungen ist es, die Körperwahrnehmung neu auszurichten – quasi wieder umzuprogrammieren. So kann sich die unbewusste Bewegungskontrolle und Empfindungswahrnehmung schrittweise normalisieren.
Neurologisch erkrankt? Wir beraten Sie: ☎️ 030 531437936 (Mo 14-18, Mi 10-14 Uhr, kostenfrei) oder online.
In einem speziellen Training üben Betroffene dazu, ihre Aufmerksamkeit von den Symptomen weg nach außen zu richten (vor allem bei Gefühlsstörungen) oder sich auf andere, funktionierende Bewegungsabläufe zu konzentrieren.
Je öfter das gelingt, desto besser gelingt zum Beispiel auch das Gehen wieder. Um die Aufmerksamkeit von der Erkrankung wegzulenken, können auch Hobbys eine sehr große Rolle spielen oder andere Dinge, die Freude machen.
Mit der Krankheit umgehen lernen
Begleitend ist eine psychotherapeutische Unterstützung ratsam, die auf funktionelle Störungen spezialisiert ist. Sie hilft, besser mit der Krankheit zurechtzukommen und so die Genesung zu unterstützen.
Weitere Symptome, die bei funktionellen Störungen fast immer vorkommen, werden dabei berücksichtigt. Das können übermäßige Erschöpfung, Konzentrations- und Schlafstörungen, Vergesslichkeit, Ängste, Depressionen oder Schmerzen sein.
Ein Beitrag von: PD Dr. med. Stoyan Popkirov, Fachbeirat der Deutschen Hirnstiftung, Oberarzt an der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Essen (Mitglied der Deutschen Hirnstiftung)