Forschungspreis 2024: Angehörige pflegen, ohne krank zu werden
07.11.2024
Forschungspreis 2024: Angehörige pflegen, ohne krank zu werden
Ein Drittel der Pflegenden in Deutschland erkrankt selbst oder muss frühzeitig in Rente gehen [1]. Berliner Wissenschaftlerinnen erforschen, ob dem ein psychologisches Training speziell für Angehörige von Parkinson-Erkrankten entgegenwirken kann. Die Hirnstiftung fördert die Studie mit ihrem diesjährigen Forschungspreis über 5.000 Euro.
Unser Forschungspreis: Wir unterstützen seit 2021 Wissenschaftsprojekte, herausragende Arbeiten und junge Forschende. Das kann als Anschubfinanzierung entscheidend sein, wenn andere Mittel fehlen. Alle Forschungspreise im Überblick
Stress, Sorgen, kaum Zeit für Erholung und eigene Interessen – der Alltag vieler, die Parkinson-Kranke zu Hause unterstützen, ist eine Herausforderung. Doch welche Faktoren belasten pflegende Angehörige am meisten? Können ihnen etwa bessere Selbstfürsorge oder mehr Wissen helfen? Und wie wirkt sich weniger Überlastung der Pflegenden auf das Wohlbefinden der Erkrankten aus?
Im Video beschreiben die Forschungspreis-Gewinnerinnen 2024 ihr Vorhaben:
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube. Mehr erfahren
Mit der Studie CARE-PD möchten die Neurologinnen Dr. Patricia Krause und Dr. Johanna Reimer zusammen mit der Psychotherapeutin Katharina Bereswill diesen Fragen nachgehen. So wollen sie nicht nur Erkrankte und Angehörige unterstützen, „auch gesundheitsökonomisch wäre eine Entlastung der Pflegenden wichtig“, sagt Krause.
Denn die Zahl der Parkinson-Erkrankten steigt in unserer immer älter werdenden Gesellschaft laufend [2] und „pflegende Angehörige spielen bei ihrer Versorgung eine zentrale Rolle.“
Forschungspreis als Anschubfinanzierung für Studie
Umgesetzt wird die Studie in drei Phasen an der Charité Universitätsmedizin in Berlin. Hier arbeiten die drei Forscherinnen in der Klinik für Neurologie. Je 140 Angehörige und Erkrankte wollen sie ab 2025 in die Untersuchung einbeziehen.
„Der Förderpreis der Deutschen Hirnstiftung ist hierfür eine wichtige Anschubfinanzierung und wir haben uns darüber sehr gefreut“, sagt Forscherin Krause. Mit Gesprächen, Fragebögen und Tests erheben die Neurologin und ihre Kolleginnen zunächst den mentalen Zustand und die derzeitige Lebensqualität der Studienteilnehmer.
Analyse der Fragebögen und Leitfaden für Pflegende
„Durch die Förderung der Hirnstiftung können wir dann eine erste Analyse der Fragebögen durchführen und einen Leitfaden für die Pflegenden erstellen“, erklärt Krause. Für Erkrankte gibt es einen solchen Leitfaden schon. Zu Beginn der Studie werden die Betroffenen zudem in ihrer Bewegungsfähigkeit untersucht, die bei Parkinson typischerweise eingeschränkt ist.
Um die Pflegenden und Erkrankten im Alltag zu stärken, erhält ein Teil der Teilnehmer im nächsten Schritt der Studie ein spezielles psychologisches Training. Der andere Teil erhält es nicht.
„Nach dem Training wird verglichen, inwieweit sich der mentale Zustand und die Lebensqualität der Teilnehmer in verschiedenen Gruppen verändert haben“, sagt Krause. Nach drei und sechs Monaten überprüft man das erneut.
Nützliche Techniken für Pflegende
Im Training lernen Pflegende Wege, wie sie:
besser mit Stress, Depression und Ängsten umgehen
die Krankheit leichter akzeptieren und bewältigen
besser mit ihren Erkrankten Angehörigen kommunizieren
Fragen? Unser Neurologen-Team berät Sie gerne: ☎️ 030 531437936 (Mo 14-18, Mi 10-14 Uhr, kostenfrei) oder online.
Psychoedukatives Training
Zusätzlich werden medizinische Grundlagen zu Parkinson und aktuelle Behandlungsansätze vermittelt. In der Fachsprache wird das auch „psychoedukatives Training“ genannt, da hier das Lernen von Wissen über die Krankheit und den Umgang damit zentral ist.
Erkrankte und Angehörige sollen so aktiv in den Behandlungsprozess eingebunden werden. Das Training findet in Gruppen bei sechs Terminen in der neurologischen Tagesklinik der Charité statt.
Parallele Betreuung für Erkrankte
Die erkrankten Angehörigen werden hier parallel betreut, wenn sie selbst gerade keinen Trainingstermin haben. Krause: „Das soll die Pflegenden entlasten und die Hürde senken, psychologische Unterstützung zu nutzen.“
Weitreichende Resultate durch Training möglich
Als Ergebnis hoffen die drei Berliner Forscherinnen zeigen zu können, dass das psychoedukative Training Angehörige erfolgreich unterstützt. So soll sich nicht nur das Wohlbefinden bei Erkrankten sichtbar erhöhen, sondern auch bei den Pflegenden und in der Familie.
Parkinson-Behandlung verbessern
Das könnte auch dazu beitragen, die Parkinson-Behandlung generell zu verbessern und einer Pflege im Heim vorzubeugen. Nicht zuletzt zielt das Training darauf, dass Angehörige durch die Pflege nicht selbst körperlich oder psychisch krank werden.
„Sie sollen sich der Aufgabe gewachsener fühlen“, fasst Krause es zusammen. Das ist umso wichtiger, als dass Parkinson-Erkrankte öfter als gedacht an psychischen Problemen leiden [3]. Fachkundige Behandlung ist zudem nicht immer verfügbar.
Gute Vorerfahrungen mit psychoedukativemTraining
Ein positives Gegenbeispiel liefert die neurologische Tagesklinik der Charité selbst: Seit sechs Jahren können Parkinson-Erkrankte hier ein psychoedukatives Training in Anspruch nehmen. Es befasst sich therapiebegleitend mit den Aspekten Stress- und Krankheitsbewältigung sowie Krankheitsakzeptanz.
Auch lernen die Teilnehmenden hier eigene Kräfte und Fähigkeiten zu aktivieren, um sich den Herausforderungen der Krankheit besser stellen zu können. Dazu wird im Training auch der Austausch von Erfahrungen zwischen den Betroffenen gefördert.
Haben Sie Interesse an der Studie CarePD mit tagesklinischer Behandlung auf Seiten der Patient*innen und Caregiver-Psychoedukation in Form einer verhaltenstherapeutischen Intervention? Dann melden Sie sich gerne unter: studie.care-pd@charite.de oder Neurologische Tagesklinik M146T, Charitéplatz 1 (Rahel-Hirsch-Weg 5), 10117 Berlin
Auswertung zeigt Erfolge
Eine interne Auswertung des psychoedukativen Trainings an der Charité hat gezeigt: Die Lebensqualität der Teilnehmer wächst und psychische Begleiterscheinungen von Parkinson, wie zum Beispiel Depressionen, nehmen ab.
Studie spielt wichtige Rolle für weitere Pläne
Zukünftig möchte man das Training der Pflegenden daher dauerhaft und parallel zu dem der Erkrankten anbieten. Zudem soll es über Internet stattfinden, um so den Aufwand auf allen Seiten zu senken und Kosten zu sparen. „Die Ergebnisse der Studie CARE-PD werden für diese Pläne eine wichtige Rolle spielen“, sagt Forscherin Krause.