08.10.2024

Neurologische Forschung entwickelt sich rasant

© sturti/iStock

Für neurologische Erkrankungen eröffnen sich durch die Forschung immer neue Therapiemöglichkeiten. Wir zeigen Beispiele, was sich in den letzten Jahren Wichtiges für Betroffene getan hat.

Rückblick auf Entwicklungen 2024

Schlaganfall-Akutbehandlung: neuer Wirkstoff für die Gerinnsel-Auflösung

Um Gerinnsel aufzulösen, die Hirngefäße verstopfen und so einen akuten Schlaganfall verursachen, wurde 2024 die Substanz Tenecteplase zugelassen. Sie wirkt genauso gut wie der Wirkstoff Alteplase, der in Deutschland seit 1987 im Einsatz ist. Der Vorteil: Tenecteplase lässt sich mit einer einzigen Injektion verabreichen. Andererseits kostet die neue Substanz mehr als Alteplase, die man wiederum über eine Stunde per Infusion geben muss.

Schlaganfall-Vorsorge: guter Schlaf und weniger Parodontose wichtig

Eine gute Schlafqualität von 7 bis 8 Stunden ohne häufiges Aufwachen kann das Risiko für Schlaganfälle um bis zu zwei Drittel senken, genauso wie das Demenz-Risiko. Das zeigen aktuelle Studien. Das Risiko eines Schlaganfalls oder Herzinfarkts kann man zudem senken, indem man Zahnfleisch-Entzündungen (Paradontose) verhindert und konsequent behandelt.

(CAR)-T-Zellen: Innovative Therapie hält Einzug in die Neurologie

Bei den Autoimmunerkrankungen Multiple Sklerose und Myasthenie wird der Einsatz gentechnisch veränderter weißer Blutkörperchen erforscht. Diese sogenannten T-Zellen aus dem Blut des Erkrankten werden im Labor so verändert, dass sie auf ihrer Oberfläche Rezeptoren als spezialisierte „Angriffswaffen“ gegen Tumor- oder Autoimmunzellen bilden. Zurück im Körper vermehren sie sich und nehmen den Kampf dagegen auf.

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Migräne: neue Therapiemöglichkeit bei chronischem Verlauf

Bei chronischer Migräne hat die neue Substanz Atogepant deutliche Erfolge gezeigt und ist gut verträglich. Über 40 Prozent der Behandelten ging es mehr als 50 Prozent besser. In einer Vergleichsgruppe, die einen wirkstofffreien Placebo erhielt, waren es 26 Prozent der Erkrankten. Die Lebensqualität hatte sich unter dem Medikament erheblich verbessert.

Multiple Sklerose: neuer Wirkstoff verfügbar, Biomarker auf dem Vormarsch

Auch 2024 wurde mit dem sogenannten monoklonalen Antikörper Ublituximab wieder ein neues Mittel gegen Multiple Sklerose (MS) zugelassen. Neue Studien zeigen zudem, dass bei MS bestimmte Werte im Blut gut anzeigen können, wie es um die Krankheitsaktivität im Gehirn, das Potenzial zur Verschlechterung und das Ansprechen auf Medikamente bestellt ist. Dort, wo einzelne dieser sogenannten Biomarker noch Schwächen aufweisen, helfen wahrscheinlich Kombinationen mehrerer Werte.

Parkinson-Erkrankung: Levodopa und Carbidopa als Infusion erhöhen Beweglichkeit

Eine aktuelle Studie zeigt, dass die klassischen Parkinson-Wirkstoffe Levodopoa und Carbidopa besser als Infusion unter die Haut wirken. Diese können Erkrankte sich selbst verabreichen. Sie bleiben fast zwei Stunden am Tag länger mobil als bei Tabletten mit diesen Substanzen. Die Tabletten haben den Nachteil, dass sie im Magen-Darmtrakt schlecht aufgenommen werden und oft nur wenige Stunden wirken.

Friedreich-Ataxie: erster wichtiger Therapieschritt

Gegen die seltene Erbkrankheit Friedreich-Ataxie wurde in Deutschland 2024 der Wirkstoff Omaveloxolon eingeführt. Es ist die erste und bisher einzige Therapie und für Betroffene ab 16 Jahren zugelassen. Die Behandlung hatte in Studien das Voranschreiten der neurologischen Symptome deutlich verzögern können. Zudem kamen Behandelte besser im Alltag zurecht.

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Rückblick auf Entwicklungen 2023

Migräne: Eine neue Substanzklasse geht an den Start

Für die spezielle Akutbehandlung der Migräne-Kopfschmerzen wurden bislang Medikamente aus der Substanzklasse der „Triptane“ erfolgreich eingesetzt. Nicht geeignet waren diese Medikamente, wenn Gefäßerkrankungen zum Beispiel der Herzkranzgefäße bestanden. Nun wurde der erste Vertreter der Substanzklasse der „Ditane“ in Deutschland zugelassen. Das Medikament ist für all jene geeignet, bei denen die Triptane nicht wirken oder nicht einsetzbar sind. Auch Präparate einer anderen neuen Substanzklasse, der „Gepante“, stehen in den Startlöchern.

Alzheimer-Krankheit: Ursächlich wirksame Medikamente in Sicht

Bisher gibt es bei der Alzheimer-Erkrankung nur Medikamente, die die Folgen der Erkrankung mildern. Jetzt konnten mehrere Substanzen in Studien positiv zeigen, dass Alzheimer auch an einer der Wurzeln angegangen werden kann. Einer der Hauptursachen für die Krankheit sind unterschiedliche Eiweißablagerungen und -verklumpungen (Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen), die sich im Gehirn festsetzen und dadurch zum geistigen Abbau führen. Durch speziell auf sie gerichtete Antikörper können diese Ablagerungen attackiert und aufgelöst werden.

Die derzeit größten Fortschritte sind bei Studien zu verzeichnen, die das Beta-Amyloid ins Visier nehmen. Eine der Studien konnte zeigen, dass es nicht nur gelingt, diese Eiweißklumpen aus dem Gehirn „auszuwaschen“ sondern auch bei frühem Einsatz das Voranschreiten der kognitiven Störung zu verlangsamen. Allerdings zeigte sich auch, dass die Attacke auf die Eiweißklumpen zu einer vermehrten Wasseransammlung, Blutungen und Entzündungen im Gehirn führen kann. In jedem Fall aber ist die Forschung einen großen und wichtigen Schritt weitergekommen.

Vielleicht ist es wie bei der Entwicklung der Medikamente gegen AIDS: Die ersten Arzneien zeigten nur eine begrenzte Wirkung, durch das Hinzukommen immer neuer Angriffsstrategien ist die HIV-Infektion heute meistens über viele Jahre in den Griff zu bekommen. Und so spricht einiges dafür, dass die Tür zur Alzheimer-Therapie jetzt aufgestoßen ist.

Neue Antikörpertherapien gegen MS und andere neurologische Autoimmunerkrankungen

2022 und 2023 wurden weitere Medikamente gegen neurologische Autoimmunerkrankungen erforscht und zugelassen. Bei diesen Erkrankungen kommt es zu einer Aktivierung der eigenen Körperabwehr, die anstelle „äußerer Feinde“, wie Bakterien oder Viren, fälschlicherweise eigene Zellen angreift – speziell Zellen des Nervensystems. Typische Vertreter sind die Multiple Sklerose, die Myasthenie oder Rückenmarksentzündungen. Die neuen Medikamente sind ihrerseits Antikörper und attackieren die anderen fehlgeleiteten Antikörper. Es kommt zu einem deutlichen Rückgang der schädlichen Entzündungsaktivität. Dazu sind 2023 eindrucksvolle Studien erschienen.

Parkinson-Erkrankung: Der Darm spielt eine wichtige Rolle

Neue Studien konnten bisherige Befunde erhärten, dass der Darm und das dort vorhandene Mikrobiom – eine etwa 1,5 Kilogramm schwere Masse an Bakterien und Viren für die Verdauung – eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Parkinson-Erkrankung spielt. Im Darm beispielsweise beginnt die fehlerhafte Faltung des Eiweißstoffs „Synuklein“, der dann weiter zum Gehirn transportiert wird und dort Nervenzellen zerstört. Erste Studien befassen sich nun damit, wie sich das Mikrobiom beeinflussen lässt, um Parkinson zu bessern oder sogar zu verhindern.

Parkinson: Effekte des fokussierten Ultraschalls halten über 3 Jahre an

Wenn die Medikamente bei der Parkinson-Erkrankung nach Jahren nicht mehr gut wirken, kann eine „Tiefe Hirnstimulation“ die Beschwerden verbessern. Dazu werden dauerhaft Elektroden ins Gehirn gelegt, um ein Störfeuer gegen die Fehlerregungen in bestimmten Bewegungszentren des Gehirns zu produzieren. Eine andere aktuell erforschte Methode ist die kernspintomographisch gesteuerte Ultraschallbehandlung, bei der die relevanten Regionen von außen gezielt millimetergenau verödet werden. Der Vorteil im Vergleich zur Stimulation: Man muss nicht operativ den Schädel öffnen. Nachteilig könnte sein, dass man anders als bei der Stimulation Gewebe zerstört. Jetzt wurde immerhin nachgewiesen, dass die meisten Effekte der Ultraschallbehandlung – eine Verbesserung der Motorik um etwa 50 Prozent – auch über 3 Jahre später noch anhalten. Also: mehr als ein Strohfeuer. Diese Therapie wird in Deutschland in den Unikliniken Bonn und Kiel weiter erforscht.

Amyotrophe Lateralsklerose: Krankheitsmechanismen besser verstehen

Noch ist die Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), die mit einem zunehmenden Muskelschwund einhergeht, nicht an den Ursachen behandelbar. In den letzten Monaten ist es jedoch gelungen, Einzelheiten der Krankheitsmechanismen aufzuklären, die sich als Basis für eine ursächliche Therapie anbieten. ALS-Forschende sind optimistisch, dass auch hier weitere Fortschritte zu erzielen sind. Das ist in einem ersten Schritt bei einer anderen neurologisch-komplexen Erkrankung gelungen: Für die bisher unheilbare Friedreich-Ataxie wurde in den USA das Medikament Omaveloxolon zugelassen.

Schlaganfall: Erweiterte Anwendung der Katheter-Eingriffe

Verstopfungen durch Gerinnsel in den großen Hirngefäßen führen zu schweren Schlaganfällen. Mit einem Katheter-Eingriff können die Gerinnsel schnell entfernt werden. Neue Studien haben gezeigt, dass dieses Verfahren – anders als bisher angenommen – selbst bei großen Schlaganfällen und bis zu 24 Stunden effektiv ist. Dadurch können bei mehr Betroffenen als bisher schwerere Behinderungen vermieden oder wenigstens vermindert werden.

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Rückblick auf Entwicklungen 2022

Schlaganfall: Katheter-Eingriffe weiter verbreitet

Verstopfungen durch Gerinnsel in den großen Hirngefäßen führen zu schweren Schlaganfällen. Durch die Weiterentwicklung und flächendeckende Verbreitung der Katheter-Eingriffe (Thrombektomie) in Deutschland konnten 2021 etwa 4.000 Betroffene vor schwerer Behinderung durch Lähmungen und Sprachstörungen bewahrt werden.

Multiple Sklerose: sechs neue Medikamente und bessere Vorhersage

2021 wurden innerhalb eines Jahres allein sechs neue Medikamente gegen die Multiple Sklerose (MS) in Deutschland zugelassen. Auch neue Substanzen, die die angegriffenen Umhüllungen der Nervenbahnen (Myelinschicht) bei MS wieder heilen, tauchen bereits am Horizont der Forschung auf.

Möglichkeiten zur Vorhersage individueller Krankheitsverläufe bei der Multiplen Sklerose (MS) eröffnet heute die Bestimmung von bestimmten Eiweißstoffen im Blut (zum Beispiel Neurofilamente). Damit können zielgerichtet unterschiedlich aktive Medikamente bei den Betroffenen eingesetzt werden. Diese verändern die fehlerhafte „Überreaktion“ des Immunsystems, die der MS zugrunde liegt.

Parkinson-Erkrankung: Beweglichkeit verbessern

Regelmäßige körperliche Aktivität verlangsamt das „Einrosten“ der Beweglichkeit bei Parkinson und lässt das Gleichgewicht länger gut funktionieren. Für kurzfristige Bewegungskrisen gibt es eine neue Möglichkeit, den Wirkstoff Levodopa schnellwirkend mit einem Inhalator zu verabreichen.

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Entwicklungen der letzten Jahrzehnte

Die Anfänge der Neurowissenschaften und der Neurologie sind älter als gedacht. Sie gehen auf die Faszination des Unbegreiflichen – unser Gehirn – zurück. Die wohl älteste schriftliche Überlieferung zur Hirnforschung findet sich schon bei den vorchristlichen Ägyptern. Es handelt sich dabei um das sogenannte Papyrus Smith. Hierin werden bereits Ursachen für Kopfschmerzen und deren Behandlung beschrieben, aber auch erste Bewegungsstörungen. Dies sind die ersten Beschreibungen neurologischer Erkrankungen. Die heutige Neurologie beschäftigt sich mit dem Nervensystem, also dem Gehirn und dem Rückenmark, sowie peripheren Nerven, Muskulatur und Gefäßen, seinen Verbindungsstrukturen, seinen Erkrankungen und deren medizinische Behandlung.

Warum aber ist das Wissen um neurologische Erkrankungen heutzutage so wichtig?

Neurologische Erkrankungen stehen inzwischen weltweit an erster Stelle der Ursachen für den Verlust von Selbstständigkeit und Lebensqualität. Neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Demenz, Kopfschmerz, Multiple Sklerose oder Parkinson sind in Europa die häufigste Ursache für Behinderungen und die zweithäufigste Ursache für Todesfälle. Doch die Neurologie hat sich in den letzten Jahrzehnten mit einer unglaublichen Dynamik entwickelt. Dies soll anhand von drei Beispielen neurologischer Erkrankungen erläutert werden.

Schlaganfall: „Time is Brain“

Ein wichtiges Beispiel ist der akute Notfall, der Schlaganfall. Der Schlaganfall gehört zu den häufigsten schweren Erkrankungen in Deutschland. Etwa 270.000 Menschen sind in Deutschland pro Jahr betroffen. Bei dem sogenannten ischämischen Schlaganfall kommt es zu einer Minderung der lokalen Blut- und damit Sauerstoffversorgung im Gehirngewebe.

Der „heftige Schlag wie ein Blitz“ (Apoplexia) wurde bereits vor mehr als 2.000 Jahren von Ärzten in den hippokratischen Schriften beschrieben. Ein akutes Eingreifen war damals undenkbar. Der berühmte griechische Arzt Galen empfahl damals allerdings schon eine ausgewogene Ernährung, Laufen und Sport – und das gilt in der Vorbeugung heute noch.

Lange war die Akuttherapie sehr eingeschränkt. Doch das hat sich in den 90er Jahren geändert. Da die Gehirnzellen bei Unterbrechung der Sauerstoffversorgung innerhalb weniger Minuten absterben – muss schnell gehandelt werden („Time is Brain“). Die frühzeitige Erkennung von Schlaganfall-Symptomen ist somit entscheidend für eine rechtzeitige Diagnosestellung und Behandlung.

Mit den heutigen bildgebenden Verfahren wie der Computertomographie (CT), der Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) und der erweiterten Darstellung der Hals- und Gehirngefäße mittels Ultraschalles und Angiographie können wir uns nicht nur das Gehirngewebe, sondern auch die Blutgefäße im Detail anschauen. Das ist wichtig, um die Größe des Schlaganfalls zu bestimmen und die Ursache zu finden. Denn bei der Therapie geht es darum, die Durchblutung möglichst rasch wiederherzustellen.

1996 wurde zunächst in den USA und dann alsbald auch bei uns die sogenannte systemische Thrombolyse eingeführt. Hierbei handelt es sich um ein Medikament, das über die Vene gegeben werden kann, um Blutgerinnsel aufzulösen. Dies sollte möglichst rasch, innerhalb von 4,5 Stunden erfolgen.

Ein weiterer großer Fortschritt in der Therapie ist die mechanische Thrombektomie, die seit 2008 zur Verfügung steht. Sie kommt bei bestimmten Formen des ischämischen Schlaganfalls zum Einsatz, zum Beispiel wenn ein großes Hirngefäß verstopft ist. Hierbei wird unter Röntgenkontrolle ein sehr dünner Katheter über die Leiste durch die Halsschlagader bis zum Blutgerinnsel vorgeschoben. Das Blutgerinnsel wird erfasst und entfernt oder kann auch mit einer Art „Mini-Staubsauger“ abgesaugt werden.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Therapie des Schlaganfalls war die Einführung von Schlaganfall-Spezialstationen, den „Stroke Units“, im Jahr 1990 in Deutschland. Auf einer Stroke Unit werden Patienten in der Akutphase des Schlaganfalls intensiv aus einem Team von Ärzten und Pflegepersonal zusammen mit Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Schluck- und Sprachtherapeuten (Logopäden) sowie Sozialarbeitern betreut.

Dieser rasante Fortschritt bei den Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten hat entscheidend dazu beigetragen, dass die Sterblichkeitsrate nach einem Schlaganfall in den letzten 30 Jahren deutlich zurückgegangen ist. Inzwischen gibt es in Krankentransportwagen integrierte Mobile Stroke Units. Mit der Telemedizin können sich immer mehr Ärzte vernetzen, um die Behandlung noch weiter zu verbessern.

Parkinson: Eine Erfolgsgeschichte

Bei der Parkinson-Krankheit sind Betroffene deutlich weniger beweglich (Bradykinese), zum anderen versteifen sich ihre Muskeln (Rigor) und viele zeigen ein Zittern (Tremor). In Deutschland gibt es etwa 400.000 Parkinson-Patienten.

Es vergingen fast 100 Jahre bis nach der Beschreibung der Parkinson-Krankheit durch James Parkinson im Jahr 1817 ein bedeutender Fortschritt im grundlagenwissenschaftlichen Verständnis der Parkinson-Krankheit erzielt wurde:

  • Die Lewy-Körperchen (Einschlusskörperchen mit Proteinablagerungen der Nervenzellen) wurden 1912 beschrieben.
  • 1919 konnte man zeigen, dass die Substantia nigra (Kernkomplex im Mittelhirn) einen Verlust von Neuronen aufweist.
  • Die Verbindung zwischen dem Mangel an dem Botenstoff Dopamin und der Parkinson-Krankheit wurden 1957 verstanden.

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Entwicklung von Therapien

In den 1960er Jahren wurde dann die Therapie der Parkinson-Krankheit erstmals durch Einführung von einer Hochdosis L-Dopa durch George Cotzias revolutioniert. Bis heute die bekannteste und effektivste dopaminerge Therapie für die Parkinson-Krankheit.

Die zweite Revolution nach der Entdeckung von L-Dopa kam per Zufall. 1987 entdeckte der französische Physiker und Neurochirurg Alim-Louis Benabid, dass sich durch eine Stimulation tiefer Hirnareale im Hochfrequenzbereich bei 100 Hz der Parkinsontremor nachließ. Damit war die Idee für den neuartigen Behandlungsansatz geboren und konnte dank dem technischen Fortschritt weiterentwickelt werden.

Tiefe Hirnstimulation

Bei der sogenannten Tiefen Hirnstimulation (THS) werden zwei Elektroden in das Gehirn eingesetzt, die über sehr feine unter der Haut liegende Kabel mit einem Hirnschrittmacher verbunden sind. Diese ist meist unter der Haut am Schlüsselbein eingesetzt. Die Elektroden senden schwache Strompulse (elektrische Impulse) an ganz bestimmte Zentren im Gehirn.

Dank der elektrischen Impulse, die vom Arzt optimal eingestellt werden können, lassen sich die allgemeine Beweglichkeit und das Zittern gut behandeln. Durch die ständige Weiterentwicklung wird diese Behandlung immer genauer, die Zielregionen können präziser angesteuert werden und an weiteren Optimierungen und symptombezogenen Anwendungen wird weiter intensiv gearbeitet.

Doch nicht genug, die Erfolgsgeschichte geht noch weiter. Denn nach beinahe zwei Jahrhunderten haben wir auch gelernt, dass etwa 5 Prozent aller Parkinson-Erkrankungen auf eine genetische Ursache zurückgehen. In jüngerer Zeit haben die dynamischen Entwicklungen auf dem Gebiet der Parkinson-Genetik zu neuen therapeutischen Ansätzen und ersten genspezifischen klinischen Studien geführt.

Spinale Muskelatrophie – bisher nicht behandelbar?

Einen Durchbruch einer bislang kaum behandelbaren Erkrankung hat es erst in jüngster Zeit bei der Behandlung der spinalen Muskelatrophie gegeben. Sie gehört mit einer Häufigkeit von 1:10.000 zu den seltenen Erkrankungen.

Bei der spinalen Muskelatrophie kommt es zu einem zunehmenden Verlust bestimmter Zellen, den „motorischen Vorderhornzellen oder auch alpha-Motoneuronen“ im Rückenmark. Durch diesen Verlust können die Signale vom Gehirn und zu ihnen, sowie von ihnen zu den Muskeln nicht mehr weitergeleitet werden. Die Folge ist Muskelschwund (Muskelatrophie). Wenn Hirnnerven zusätzlich betroffen sind, kann es auch zu Einschränkungen der Schluck-, Kau- und Sprechfunktionen kommen.

In der Mehrzahl der Fälle erkranken Betroffene im Kindesalter und im weiteren natürlichen Verlauf führt die Erkrankung zu einem frühen Tod oder zu schwerwiegenden motorischen Behinderungen. Klassischerweise erfolgt eine Einteilung der Patienten mit einer spinalen Muskelatrophie in verschiedene „Typen“, je nach Alter zum Zeitpunkt der Erkrankung, dem Erreichen sogenannter motorischer Meilensteine und dem Überleben.

Therapie mit Antisense-Oligonukleotiden

Auch wenn das klinische Bild sehr vielfältig und unterschiedlich sein kann, liegt die Ursache an einer genetischen Veränderung (Mutation). Dies kann mittels eines Bluttests festgestellt werden. Bei einem Defekt im SMN1-Gen (engl. survival motor neuron) steht seit Juli 2017 in Europa eine Therapie mit Antisense-Oligonukleotiden (Nusinersen) zur Verfügung.

Wie funktioniert das? Antisense-Oligonukleotide (ASOs) dienen einer Art von Gen-Stummschaltungs-Behandlung, in der speziell entworfene DNA-Moleküle genutzt werden, um ein „Gen auszuschalten“. Bei Patienten mit einer spinalen Muskelatrophie besteht ein Mangel an einem bestimmten Eiweiß, dem SMN-Protein. Dieser Mangel führt vorwiegend zu einem Absterben (Degeneration) von motorischen Vorderhornzellen. Nusinersen hilft dabei, mehr von dem SMN-Protein zu produzieren.

Dadurch wird der Verlust von Nervenzellen reduziert und die Symptome der Erkrankung können verbessert werden. So konnten in der ENDEAR-Studie 51 Prozent der Kinder mit dem SMA-Typ 1 motorische Meilensteine erreichen, die im natürlichen Verlauf (also ohne Therapie) nicht zu erwarten gewesen wären. Dieser hoffnungsvolle Ansatz wird nun auch bei anderen neurologischen, neurodegenerativen Erkrankungen intensiv erforscht.

Die vorgenannten Therapieansätze zeigen bahnbrechende Fortschritte bei der Behandlung neurologischer Erkrankungen. Sie alle bedürfen der Information und Aufklärung auf allen Ebenen und müssen natürlich auch eine weitere Stärkung der Forschung nach sich ziehen. Dafür sind wir als Deutsche Hirnstiftung angetreten.


Haben Sie neurologische Fragen? Wir beraten Betroffene kostenfrei online und am Telefon. Mitglieder der Deutschen Hirnstiftung werden bevorzugt beraten. Bitte wenden Sie sich dazu an: info@hirnstiftung.org oder 030 531 437 936 (Mo-Fr, 10-14 Uhr).

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