17.10.2022
Gürtelrose erkennen und richtig behandeln

Von Dr. Wolf-Oliver Krohn, Neurologe und Patientenberater der Deutschen Hirnstiftung
Jeder dritte Erwachsene in Deutschland bekommt im Laufe seines Lebens eine Gürtelrose. Auslöser ist das Windpocken-Virus. Es führt zu Bläschen, juckender Haut und Schmerzen, die chronisch werden können. Daher ist es wichtig, die Symptome der Gürtelrose zu kennen und zügig zum Arzt zu gehen.
Der Artikel im Überblick:
Ahmed K. wacht nachts mit starken Schmerzen am Oberkörper auf. Sein erster Gedanke: ein Herzinfarkt. Gleich am Morgen geht er zu seiner Hausärztin. Die gibt Entwarnung und schickt ihn zum Orthopäden. Doch auch der kann nichts feststellen und die Schmerzen werden nicht besser. Erst als sich bei Ahmed K. nach einigen Tagen ein Streifen von juckenden und schmerzenden Pusteln auf der Haut bildet, wird klar: Es handelt sich um eine Gürtelrose.
Gürtelrose: Windpockenvirus nutzt geschwächtes Immunsystem
Hervorgerufen wird die Gürtelrose (Herpes Zoster) durch Viren. Voraussetzung für die Erkrankung ist eine frühere Infektion mit Windpocken, die laut Robert-Kock-Institut (RKI) über 95 Prozent aller Erwachsenen hatten. Denn die Windpockenviren (Varizella Zoster) verbleiben nach der Infektion lebenslang im Körper. Dort schlummern sie in bestimmten Nervenzellen, während das Immunsystem eine erneute Erkrankung verhindert. Im Alter und durch Erkrankungen oder Medikamente kann es zu einer Schwächung des Immunsystems und damit zu einem erneuten Ausbruch der Windpockenviren kommen.
Symptome und Verlauf der Gürtelrose
Diesen Ausbruch der Windpockenviren nennt man Gürtelrose, weil er zu Hautrötungen führt, die oft am Bauch wie ein „Gürtel“ um den Körper verteilt sind. Die Rötungen hat man früher als „Rose“ bezeichnet. Feststellen lässt sich die Gürtelrose sehr gut über eine Laboruntersuchung der Hautveränderungen.
Die Gürtelrose kann zudem an Armen und Beinen vorkommen. Ebenfalls betroffen können das Gesicht mit den Augen sowie Ohren und Gesichtsnerv sein.
Zu der Hautrötung hinzu kommen juckende und schmerzende Knötchen, die sich zu flüssigkeitsgefüllten Bläschen entwickeln. Die Bläschen verkrusten und heilen dann ab. Dabei kommt es zu Wundschmerz.
Gürtelrose bleibt zunächst unbemerkt
Bevor sie zu sichtbaren Hautveränderungen führen, breiten sie sich die Windpockenviren aus den Nervenzellen über die Nervenfasern bis zur Haut aus. Das dauert einige Tage. Folge dessen können Schmerzen und Sensibilitätsstörungen der Haut sein. Weil in diesem Stadium keine Hautveränderungen vorhanden sind, ist die Diagnose in den ersten Tagen schwierig.
Nervenschmerzen als weitere Folge der Gürtelrose
Auf dem Weg der Viren zur Haut können zudem Nerven beschädigt werden. Das führt zu sehr unangenehmen Nervenschmerzen. Das Gefühl wird als ziehend wie bei Zahnschmerzen oder brennend beschrieben. Weil Nerven nur sehr langsam heilen, können diese Nervenschmerzen noch monatelang nach Abheilung der Haut bestehen. Das passiert bei etwa 10 Prozent der Gürtelrose-Betroffenen und wird als „Postzosterische Neuralgie“ bezeichnet.
Gürtelrose ohne Ausschlag
In einigen Fällen kommt es auch zu einer Gürtelrose ohne Ausschlag und Bläschen (Zoster sine herpete). Die Symptome bestehen dann nur aus Schmerzen in einem umgrenzten Bereich der Haut und Sensibilitätsstörungen. Die Gürtelrose lässt sich dann im Blut über Antikörper gegen das Virus feststellen.
Wer ist am meisten betroffen?
Besonders oft von Gürtelrose betroffen sind Ältere, Frauen und Menschen mit vielen Hautveränderungen oder mit Schmerzen, die bereits vor den Hautsymptomen vorhanden waren. Häufig sind auch Gefühlsstörungen wie Taubheit oder Missempfindungen. Nach einer Impfung gegen Gürtelrose tritt diese deutlich seltener auf und ist vor allem Senioren und Seniorinnen zu empfehlen.
Bei Menschen unter 50 Jahren wird empfohlen nach einer alternativen Ursache für die Gürtelrose zu suchen. Eine mögliche Ursache für ein eingeschränktes Immunsystem bei jüngeren Menschen ist eine HIV-Infektion.
Behandlung der Gürtelrose
Die Gürtelrose heilt bei Menschen ohne erhöhtes Risiko meist nach 2 bis 4 Wochen von selbst ab. Sie sollte trotzdem frühzeitig behandelt werden, um die Symptome zu verkürzen und bleibende Nervenschmerzen zu verhindern. Bei Risikopatienten zielt die Behandlung zusätzlich auf eine Vermeidung von Komplikationen, wie Augen– oder Organentzündungen.
Medikamente
Die eingesetzten Medikamente (Aciclovir, Brivudin, Famciclovir, Valaciclovir) unterbrechen die Infektion und verkürzen so die Hautsymptome sowie die Dauer und Schwere möglicher Nervenschmerzen. Die Medikamente werden in Tablettenform eingenommen. Bei hohem Risiko erfolgt die Behandlung über die Vene (intravenös).
Die Wundschmerzen der Gürtelrose werden mit den bekannten Schmerzmedikamenten behandelt. Wenn bei der Gürtelrose auch Nervenschmerzen hinzukommen, sollten diese ebenfalls behandelt werden. Das erfordert zusätzlich Medikamente gegen Nervenschmerzen (z.B. Gabapentin, Pregabalin, Amitriptylin).
Therapieerfolg wird gemessen
Während der Behandlung wird die Art und die Intensität der Schmerzen vom Arzt erfasst und der Therapieerfolg gemessen. Nach Abheilen der Hautveränderungen und bei fehlendem Ansprechen auf die Behandlung können auch lokale Wirkstoffe, zum Beispiel Pflaster mit Capsaicin oder Lidocain angewandt werden.
Impfung gegen Gürtelrose
Gegen die Gürtelrose existiert eine Impfung. Die Impfung verringert dem RKI zufolge das Risiko für ein Auftreten der Gürtelrose im Laufe des Lebens von 33 auf 3 Prozent. Sie schützt damit auch viele Menschen gegen die Nervenschmerzen nach der Gürtelrose.
Empfohlen für Menschen über 60
Die Ständige Impfkommission des RKI (STIKO) empfiehlt die Impfung für alle Menschen über 60 Jahren sowie für Menschen ab 50 mit einem erhöhten Risiko für eine Gürtelrose. Ein erhöhtes Risiko haben Menschen mit chronischen Erkrankungen, die das Immunsystem beeinträchtigen können. Dazu gehören zum Beispiel ein Diabetes oder bestimmte chronische Entzündungskrankheiten. Eine Impfung kann auch bei Menschen durchgeführt werden, die bereits eine Gürtelrose hatten.
Die Kosten der Gürtelrose-Impfung werden, wie für jede empfohlene Impfung, von der Krankenkasse übernommen.
So oft sollte man sich gegen Gürtelrose impfen lassen
Für einen vollständigen Impfschutz sind zwei Impfungen im Abstand von 2-6 Monaten notwendig. Eine einzelne Impfung schützt nicht ausreichend gegen die Gürtelrose. Der empfohlene Impfstoff ist ein Totimpfstoff. Das bedeutet, er enthält kein lebendes Virus.
Nebenwirkungen der Gürtelrose-Impfung möglich
Der Impfstoff ist sicher, kann aber bei etwa 10 Prozent der Geimpften zu Impfreaktionen führen. Zu diesen Reaktionen gehören lokale Schmerzen an der Injektionsstelle, Fieber, Müdigkeit, Muskel- und Kopfschmerzen. Diese halten normalerweise ein bis zwei Tage an und verschwinden dann vollständig.
Impfung Gürtelrose und 4. Covid Impfung
Die Impfungen gegen Gürtelrose und die Impfungen gegen Covid-19 vertragen sich gegenseitig. Laut RKI ist nach einer Covid-Impfung kein besonderer Abstand zur Gürtelroseimpfung einzuhalten. Die genaue Impfreihenfolge sollte mit dem Hausarzt besprochen werden.
Besondere Verläufe der Gürtelrose
Augen betroffen
Bei etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen betrifft die Gürtelrose die Augen (Zoster ophthalmicus). Es kommt dann zu Hautveränderungen im Bereich der Nase und, manchmal erst nach einigen Wochen, zu Entzündungen der Hornhaut, Bindehaut oder Netzhaut.
Die Gürtelrose des Auges kann zu bleibenden Schäden an den Augen führen. In schweren Fällen führt die Erkrankung zur Erblindung. Wegen der möglicherweise schweren Folgen ist eine frühzeitige augenärztliche Mitbehandlung wichtig.
Ohren und Gesichtsnerv betroffen
Von der Erkrankung kann auch das Ohr betroffen sein (Zoster oticus). Es kann zu Ohrenschmerzen, Hörminderung und Schwindel kommen. Auch eine Lähmung des Gesichtsnervens (Facialisparese) auf der betroffenen Seite ist möglich. Die Hautveränderungen befinden sich an der Ohrmuschel oder im Gehörgang und sind manchmal von außen nicht zu erkennen.
Eine Sonderform dieser Art der Gürtelrose ist das Ramsay-Hunt-Syndrom, an dem auch der Sänger Justin Bieber jüngst erkrankte. Hierbei kommt es zusätzlich zu einer Gesichtslähmung auf der betroffenen Seite.
Wie alle Formen der Gürtelrose kann auch der Zoster oticus zu bleibenden Schäden führen, weshalb eine frühzeitige Mitbehandlung durch den HNO-Arzt und den Neurologen wichtig sind.
Befall des ganzen Körpers und Organentzündungen
Bei schwerer Einschränkung des Immunsystems kann es in seltenen Fällen statt eines lokalisierten Ausbruchs zu einer Beteiligung des gesamten Körpers kommen (Zoster disseminatus). Hierbei können Organe befallen und beschädigt werden. Bei schweren Verläufen kann es zum Multiorganversagen kommen.
Nervensystem betroffen
Die Zosterinfektion kann, besonders bei Beteiligung des Kopfes, in seltenen Fällen auch das Nervensystem einbeziehen. Zwar verläuft diese Infektion oft ohne Symptome, es kann aber auch zu Entzündungen von Hirn-, Hirnhäuten, Rückenmark oder Gefäßen kommen, die zu schweren neurologischen Symptomen führen können. Die Gefäßbeteiligung kann das Schlaganfallrisiko erhöhen. Besonders bei älteren Patienten oder Menschen mit Immunschwäche sollte frühzeitig eine neurologische Untersuchung erfolgen.
Übertragung der Gürtelrose
Die Gürtelrose ist für Menschen, die noch keine Windpocken hatten, eine hochansteckende Erkrankung. Erst wenn die Bläschen verschorft sind, besteht keine Infektionsgefahr mehr.
Die Übertragung erfolgt durch Kontakt mit Viren aus den Hautveränderungen. Bei Befall großer Hautflächen oder Befall des ganzen Körpers bei immunsupprimierten Menschen halten die Experten des Robert-Koch-Instituts (RKI) auch eine Übertragung über Aerosole für möglich.
Übertragung vorbeugen
Eine Vorbeugung besteht aus der Abdeckung der Hautveränderungen bis zum Verkrusten der Bläschen. Im Krankenhaus sollte eine Isolation der erkrankten Personen erfolgen, um die Übertragung auf immungeschwächte Patienten zu verhindern.
Beim staatlich anerkannten Institut IQWiG finden Sie weitere Informationen zu Gürtelrose.
Haben Sie neurologische Fragen? Die Deutsche Hirnstiftung berät Betroffene und Interessierte kostenfrei online. Mitglieder erhalten zudem Unterstützung per Telefon und Video, zu rechtlichen Themen und bei der Krankheitsbewältigung. Mehr dazu erfahren Sie hier oder am Telefon 030 531 437 936 (Mo-Fr, 10-14 Uhr).
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Titelbild: iStock / fizkes (1205480426)
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